Russland will nach dem Anschlag auf einen Militärblogger seine Terrorgesetze verschärfen. Für seinen Tod will aber niemand verantwortlich sein. Eine Gesetzesverschärfung könnte dem Kreml jedoch dabei helfen, einen Intimfeind Putins für immer hinter Gittern zu halten.
Russland plant eine Verschärfung seiner Terrorismusgesetze. Das kündigt Wassili Piskarjow, Vorsitzender des Sicherheitsausschusses in der Staatsduma, via Telegram an.
Die Änderungen beträfen nicht nur Terroranschläge selbst, sondern auch Beihilfe und Terror-Propaganda, kündigte der Abgeordnete der Kremlpartei Geeintes Russland an. Konkret solle der Katalog an Straftaten, auf die lebenslange Haft steht, vergrößert werden.
Niemand will für Anschlag verantwortlich sein
Damit reagiert Moskau auf den Tod des Kriegsbloggers Wladlen Tatarski, der bei einer Explosion in einem Café in St. Petersburg ums Leben kam. Das Ermittlungskomitee, Russlands oberste Strafverfolgungsbehörde, hat am Montag die Explosion vom Sonntagabend in der russischen Großstadt als Terrorangriff eingestuft. Wladimir Putin hat dem verstorbenen Kriegsaktivisten postum „für Mut und Kühnheit“ öffentlichkeitswirksam einen Orden verliehen. Der Kreml macht für den Anschlag die Ukraine und russische Oppositionelle verantwortlich.
Der 40-jährige Blogger, der mit bürgerlichen Namen Maxim Fomin hieß und von ukrainischen Medien als „kriegslüsterner Sadist“ bezeichnet wurde, hatte die „totale Vernichtung der Ukraine“ gefordert. Die Ukraine bestreitet eine Involvierung und pflichtet in ihrem Urteil russischen Oppositionellen bei, die behaupten, dass der russische Geheimdienst FSB den Anschlag selbst verübt habe.
Die Ermittler nahmen bisher eine 26 Jahre alte Frau namens Darja Trepowa fest, die dem Blogger bei einer Veranstaltung in besagtem Café eine Büste aus Gips überreicht hatte (siehe Video). Die Beschuldigte gab weder Mordpläne zu, noch sagte sie, von wem sie die Büste erhalten habe.
Warum der Fall für Nawalny Konsequenzen haben könnte
Das russische Anti-Terror-Komitee behauptet, die ukrainischen Geheimdienste hätten für den „Terroranschlag“ die inzwischen inhaftierte Verdächtige instrumentalisiert. Demnach soll die Frau mit der Anti-Korruptions-Stiftung des inhaftierten Putin-Feinds Alexej Nawalny in Verbindung gestanden sein.
Nawalnys im Exil arbeitendes Team wies die Anschuldigungen kategorisch zurück. Schon seit Jahren versuche der FSB, der Opposition Terror anzuhängen. Entsprechende Vorwürfe des Anti-Terror-Komitees sind heikel, da sich Nawalny bald in einem neuen Strafverfahren wegen Extremismus verantworten muss. Für die russischen Ermittler sei der Vorwurf im Fall der Explosion bequem, weil Nawalny so zur Höchststrafe wegen Terrors verurteilt werden könne, teilte der russische Oppositionelle Iwan Schdanow in einer Erklärung mit. Bisher bleiben alle Seiten Beweise für ihre Behauptungen schuldig.
Blogger kritisierte Kriegsführung des Kreml
Russlands Kriegsblogger genossen bisher weitgehende Freiheiten, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters. Putin hat einen Aktivisten im vergangenen Jahr sogar zum Mitglied seines Menschenrechtsrates ernannt.
Geht es nach Nawalnys Team, könnte sich das aber ändern. Der FSB habe den verstorbenen Blogger selbst „beseitigt“. Tatarski, der die Kriegsführung des Verteidigungsministeriums in Moskau kritisierte, hatte dem russischen Militärapparat „Systemfehler“ bescheinigt und Verbesserungsvorschläge für die Kriegsführung gemacht. Die einflussreichen Militärblogger kritisieren zum Ärger Moskaus immer wieder Korruption und Amtsmissbrauch in der Staatsführung.
Diese Missstände hatte auch der Chef der Privatarmee Wagner, Jewgeni Prigoschin, wiederholt angeprangert. Prigoschin lobte den Blogger als „echten Patrioten“ und zeigte sich mit einer Russland-Fahne, auf der Tatarskis Name stand. Der Wagner-Chef widersprach zudem der Kreml-Auffassung und sieht eher eine Gruppierung radikaler Kriegsgegner hinter dem Anschlag. „Ich würde nicht dem Regime in Kiew die Schuld geben an diesen Handlungen“, sagte er.
Der Kreml arbeitet gerade daran, die Wagner-Truppe zu entmachten. Sie sei einigen in Moskau mittlerweile zu „bedeutend“, heißt es in einem aktuellen Geheimdienst-Update aus Großbritannien.
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