50 ukrainische Flüchtlinge zogen kurz nach Kriegsbeginn nach Mariazell. Nach einem Jahr ziehen sie Bilanz. Wie ihnen geholfen wurde, welche Jobs sie suchen - und wie lange sie bleiben wollen.
In Mariazell kamen kurz nach Kriegsbeginn in der Ukraine rund 120 Flüchtlinge an. Viele zogen weiter, knapp 50, fast ausschließlich Frauen mit Kindern, blieben hier. Ansprechperson Nummer 1 für die Geflüchteten ist Lajos Makai.
Die „gute Seele“ will nicht mit aufs Foto für die „Krone“, hält sich dezent im Hintergrund. Makai stammt aus Siebenbürgen, hat in Ungarn Jus studiert und arbeitet seit 15 Jahren für die Benediktiner im Wallfahrtsort Mariazell. Als wir wenig später die Ukrainerinnen Ina, Olessja und Natascha am Platz hinter dem Bürgerheim treffen, wo sie seit rund einem Jahr leben, ist der Ton sofort vertrauensvoll: „Hallo Lajos, wie geht‘s?“
Ein Jahr, gemeinsam verbracht mit Nöten, aber auch mit Freuden und den vielen Lösungen für alltägliche Probleme, hat Ukrainer und Ansprechpersonen wie Makai in Mariazell zusammengeschweißt. „Gerade anfangs waren wir stark damit beschäftigt, dass alle einen Platz finden können, wo es zum Beispiel auch mit Haustieren passt. Mit 47 Leuten kommen ja auch 47 Geschichten mit“, erzählt Makai.
Kriegsbeginn kam trotz Vorzeichen überraschend
Ina feierte gerade ihren Geburtstag, als am nächsten Morgen der Krieg begann: „Ich habe mit Freunden gefeiert, und als wir am nächsten Morgen aufwachten, ist es losgegangen! Wir hatten das überhaupt nicht erwartet“, sagt Ina über den 24. Februar des Vorjahrs.
Ich habe mit Freunden gefeiert, und als wir am nächsten Morgen aufwachten, ist es losgegangen!
Ina, ukrainischer Flüchtling
Trotz der Annexion der Krim durch die Russen im Februar 2014 kam der Kriegsbeginn für viele überraschend. „Unser normales Leben ging damals weiter, das andere war eine politische Angelegenheit“, so die Eindrücke von Natascha. Sie hat drei Kinder im Alter von 8, 14 und 18 Jahren, Olessja hat zwei Kinder mit 2 und 6 Jahren.
Nur wenige Sportmöglichkeiten
Gerade für die Kleinen sind die Flucht und die Situation in einem fremden Land schwierig. Sie können zwar zur Schule gehen, aber es fehlt einiges, etwa sportliche Möglichkeiten. Viele Kinder sind Trainings gewohnt, würden etwa gern schwimmen. In Mariazell gibt es aber kein Hallenbad.
Ein großes Thema ist die medizinische Versorgung. Diese war, vor allem in den ersten Aufenthaltsmonaten, häufig gefragt und wurde durch das Gesundheitszentrum Mariazell abgedeckt.
„In den ersten drei Monaten musste fast jeden Abend die Rettung geholt werden. Man hat gemerkt: Sobald die Menschen abends allein sind, keiner von uns dabei war, kommen die wirklichen Probleme“, so Makai. Aber: „All diese medizinischen Vorkommnisse haben dann plötzlich von einer Woche auf die andere aufgehört.“
Freunde von der Uni nun beim Militär
Zu Beginn vor einem Jahr war Organisation fast alles: Man brauchte die „blaue Karte“ (Legitimation für Flüchtlinge), Mikrowellen, Kochplatten, Kinderspielzeug, Wäsche, Haarföhns, Nahrungsmittel, Medikamente - und einen tadellos funktionierenden Internet-Zugang. Denn der Kontakt mit den Angehörigen in der Heimat ist besonders wichtig. Ina erzählt, dass viele ihrer Freunde von der Universität jetzt beim Militär sind: „Wir sind hier und können sie unterstützen, sie kämpfen für unsere Unabhängigkeit.“
Michael Staberl, Superior von Mariazell, beschreibt vor allem positive Eindrücke: „Das Schöne war, dass alles wirklich friedlich gegangen ist. Die Menschen waren dankbar, es hat sofort gute Kontakte gegeben, aber keine Gewalt. Es war immer unglaublich solidarisch, friedlich und freundlich.“
Es war wunderschön, wie uns die Ukrainer im Herbst eingeladen haben, mit ihnen Gerichte aus ihrer Heimat zu speisen.
Pater Michael Staberl
Hoffnung auf baldige Rückkehr
Einzig das Angebot an Deutsch-Kursen ließe zu wünschen übrig. „Natürlich ist es nicht so einfach, sofort Ukrainisch-Deutsch-Lehrer zu finden, aber da hätte man mehr machen können. Es wird immer verlangt, dass die Leute Deutsch können müssen. Aber dann kann man nicht sagen: Im Computer gibt’s Übersetzungsmöglichkeiten“, so Staberl.
So ist, wie immer seit Kriegsbeginn, vor allem die Hoffnung auf eine baldige Rückkehr in die Ukraine die positive Kraft im Leben der Ukrainerinnen. Etwa die Hälfte der 47 Flüchtlingen hat bisher Jobs und neue Wohnungen gefunden. Gut 20 leben noch im Bürgerheim. Ina arbeitet als Sales-Managerin im Hotel „3 Hasen“, auch für Natascha ist es selbstverständlich, eine Arbeit anzunehmen und Deutsch zu lernen.
Und erstaunlich: Böse auf „die Russen“ ist keiner der drei Damen. Man hat Cousins in und andere familiäre Beziehungen mit Russland. Die große Hoffnung ist, dass der Krieg bald vorbei ist: „Weil wir einfach zurückwollen in unsere Heimat, die wir von Kindheit an kennen“, so Ina.
Peter Bernthaler, Kronen Zeitung
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