Jährlich 55 Mrd. €
EU kündigt europaweite Börsensteuer an
Barroso kündigte die Finanztransaktionssteuer bei der Präsentation des Arbeitsprogramms der Kommission und seiner Rede zur Lage der Union an. Die neue Steuer soll zum Jahresbeginn 2014 kommen. Nach Angaben von Diplomaten dürfte der Vorschlag in der kommenden Woche von den EU-Finanzministern in Luxemburg debattiert werden und könnte dann bereits beim Treffen der G-20 Anfang November in Cannes vorgestellt werden.
In dem Gesetzesentwurf wird die EU Mindestsätze vorgeben, die von den Mitgliedstaaten übertroffen werden können. Im Gespräch sind 0,1 Prozent auf Umsätze mit Aktien und Anleihen, 0,01 Prozent auf Umsätze mit sogenannten Derivaten - das sind abgeleitete Finanzinstrumente.
Massiver Lobbyisten-Widerstand
Das Vorhaben wird von Frankreich und Deutschland ausdrücklich unterstützt. Allerdings lehnt Deutschland die Absicht Barrosos, die Einnahmen aus einer Finanztransaktionssteuer in den EU-Haushalt fließen zu lassen, strikt ab. Widerstand gegen die Steuer gibt es in Großbritannien und Schweden - aber auch in den Niederlanden. Österreich zählt zu den Befürwortern der Finanztransaktionssteuer.
EU-Justizkommissarin Viviane Reding empörte sich über Versuche von Lobbyisten aus der Finanzbranche, die Steuer zu torpedieren. So hätten "vor allem britische Interessenvertreter Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um den Plan zu verhindern", sagte Reding einem Vorabbericht der "Zeit" vom Mittwoch zufolge. "Früher hat niemand die Vorschläge der Kommission zerredet", fügte die Luxemburgerin hinzu. "Heute laufen einzelne Interessengruppen Sturm, noch bevor die Vorschläge auf dem Tisch liegen."
SPÖ, ÖVP und Grüne begrüßen EU-Konzept
Bundeskanzler Werner Faymann lobte unterdessen den EU-Vorschlag als "einen der wichtigsten Schritte zu mehr Steuergerechtigkeit in ganz Europa". Er erhofft sich für Österreich zusätzliche Erträge für den Staatshaushalt in Höhe von 500 Millionen bis eine Milliarde Euro. Auch Finanzministerin Maria Fekter begrüßte das Konzept der EU-Kommission. Die Steuerzahler hätten in ganz Europa einen erheblichen Beitrag geleistet, um den Finanzsektor zu stabilisieren.
Die Grünen sehen in dem Vorhaben einen "Lenkungseffekt gegen Spekulationen". Ob die Einnahmen direkt ins EU-Budget fließen oder dadurch die nationalen Beiträge an den EU-Haushalt gesenkt werden, sei eine zweite Frage. "Es ist aber jedenfalls nicht sinnvoll, die Einnahmen direkt den nationalen Budgets zur Verfügung zu stellen", teilte Finanzsprecher Werner Kogler in Richtung Kanzler Faymann mit.
"Tobin-Tax" seit Jahrzehnten im Gespräch
Über eine Steuer auf Finanzmarktgeschäfte wird seit Jahrzehnten diskutiert. Die Idee einer Finanztransaktionssteuer geht auf den US-Ökonomen James Tobin zurück. Der amerikanische Wirtschaftswissenschaftler brachte 1972 eine Steuer auf alle grenzüberschreitenden Devisenspekulationen ins Spiel. Er schlug damals eine Abgabe von einem Prozent vor.
Vor allem Globalisierungskritiker fordern seit Jahren eine Spekulationssteuer - sie sprechen von 0,1 bis 0,25 Prozent. Die Idee dieser "Tobin-Tax" war auch einer der zentralen Gedanken bei der Gründung des Netzwerks "Attac": Die französische Abkürzung für "Vereinigung zur Besteuerung von Finanztransaktionen im Interesse der Bürger". Im Zuge der schweren Wirtschaftskrise, die auf die Pleite der US-Großbank Lehman Brothers im September 2008 folgte, flammte die Debatte über eine Beteiligung des Finanzsektors an den Kosten der Krise wieder auf.
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