krone.at: Der SC Wiener Neustadt hält nach dem ersten Bundesliga-Saisonviertel bei neun Punkten. Für ein Team, das vor der Saison als Fixabsteiger gehandelt wurde, gar nicht so schlecht, oder, Herr Stöger?
Peter Stöger: Wir sind zufrieden. Wir haben uns jetzt bis jetzt so geschlagen, wie wir es uns selbst erhofft haben, sicher besser, als es einige erwartet haben.
krone.at: "Krone"-Kolumnist Herbert Prohaska hat gemeint, wenn Wiener Neustadt den Klassenerhalt tatsächlich schafft, wäre das mit dem Meistertitel gleichzusetzen.
Stöger: Es gibt leichtere Aufgaben in der Liga als die, die wir haben. Wir haben sehr viele Veränderungen vornehmen müssen, haben viele Spieler mit wenig Bundesliga-Erfahrung. Das dauert seine Zeit. Für uns wäre ein Klassenerhalt daher sicher genauso schön wie für Salzburg oder die Austria und Rapid der Meistertitel, das stimmt.
krone.at: Apropos Herbert Prohaska: Sie haben lange Zeit mit ihm zusammengearbeitet. Wie viel Herbert Prohaska steckt demnach im Trainer Peter Stöger?
Stöger: Das lässt sich schwer sagen. Ich habe viele gute Trainer gehabt und mir einiges abgeschaut. Aber im Trainer Peter Stöger steckt zu 95 Prozent Peter Stöger. Jeder Trainer muss seinen eigenen Weg gehen. Ich sage es immer wieder und mach' mich immer unbeliebt: So wie ein Ernst Happel gearbeitet hat, wäre das heute extrem schwierig. Auch weil sich die Anforderungen geändert haben.
krone.at: Inwiefern haben sich denn die Anforderungen an Ihre Person als Wiener-Neustadt-Trainer im Vergleich zu Ihrer letzten Bundesliga-Tätigkeit bei der Wiener Austria geändert?
Stöger: Das ist ganz schwer zu vergleichen. Ich glaube, dass die Stationen, die ich gehabt habe, sehr gut für mich waren. Ich weiß also schon, was bei manchen Vereinen möglich ist und wo man an seine Grenzen stößt. Ich arbeite jetzt also in der Bundesliga – mich belasten aber gewisse Sachen nicht, weil ich weiß, wie es ist, in der Regionalliga zu arbeiten, wo noch viel weniger möglich ist.
krone.at: Rund um Ihre Zeit als Trainer bei der Wiener Austria ist dieser Tage etwas recht Bedenkliches bekannt geworden. Ihr damaliger Partner Frenkie Schinkels hat von seinem Burn-out erzählt. Er gestand, damals von Panik-Attacken geplagt worden zu sein und auf der Trainerbank sogar Rotwein getrunken zu haben. Haben Sie davon etwas mitbekommen?
Stöger: Natürlich hab' ich das mitbekommen. Ich war damals ja jeden Tag mit dem Frenkie zusammen. Ich bin ja als Sportdirektor nicht nur im Büro gesessen, sondern war bei jedem Spiel und bei jedem Training dabei. Daher habe ich das natürlich festgestellt. Wir wollten aber damals keine Unruhe in die Mannschaft bringen. Als er einmal drei, vier Wochen nicht da war, haben wir gesagt, er leide an einer Virus-Infektion. Und zur Beruhigung hat er eben so eine Rotweinmischung in einer Getränkeflasche gehabt, die so ausgesehen hat wie die der Spieler. Da haben wir dann immer aufpassen müssen, dass kein Spieler daraus trinkt (lacht).
krone.at: Sie haben aber nicht mitgetrunken, oder?
Stöger (lacht): Nein, ich habe nicht mitgetrunken. Vielleicht trifft's mich ja auch einmal. Aber in Stress-Situationen denke ich mir immer, dass ich Gott sei Dank den Rückhalt zu Hause habe. Es gibt weit Schlimmeres, als dass man als Fußballtrainer angezählt ist und von Medien bzw. Fans wieder Watschn kriegst.
krone.at: Aber es scheint kein Einzelfall zu sein, wie der Fall Rangnick in Deutschland zeigt.
Stöger: Der Job ist nicht easy, das muss man schon sagen. Es ist ein geiler Job, wie Herr Constantini sagt, das stimmt schon. Aber wenn du versuchst, ihn ehrlich und korrekt abzuliefern, dich aufreibst und nicht nur auf dich selbst schaust, dann ist das ein Job, der nicht ganz so einfach ist. Du bist für viel Geld, viele Menschen verantwortlich. Und du stehst total in der Öffentlichkeit. Als Fußballtrainer bist du jede Woche der Trottel.
krone.at: Total in der Öffentlichkeit wird auch der neue Teamchef stehen. Der ÖFB scheint diesbezüglich aber noch recht unschlüssig zu sein. Vielleicht wäre das ja was für Sie. Wollen Sie keine Bewerbung abgeben?
Stöger: Nein, das will ich wirklich nicht. Es gibt ohnehin genug Personen, die Bewerbungen für sich selbst abgeben. Ich kann nur sagen, dass mich der ÖFB noch nie wegen irgendeiner Position kontaktiert hat. Ich kann alle beruhigen: Das ist auch diesmal nicht so.
krone.at: Haben Sie einen Wunschkandidaten als Teamchef?
Stöger: Ich habe mir auch abgewöhnt, mich für andere starkzumachen, weil ich festgestellt habe, es ist völlig wurscht, was du denkst. Es gibt ein Anforderungsprofil, das nicht hergezeigt wird. Hoffentlich ist der Teamchef bald da.
krone.at: Zurück zu Wiener Neustadt. Dort müssen Sie eine Horde sehr junger Spieler bändigen. Ist Ihr Team mit einem Altersdurchschnitt von knapp 24 Jahren schon reif für den harten Abstiegskampf?
Stöger: Wir haben zumindest schon einmal gezeigt, dass wir mithalten können, das ist wichtig. Wir waren noch nie in einer extremen Drucksituation, haben von Beginn weg immer ein wenig Luft gehabt. Jetzt haben wir interessante Wochen vor uns, in denen wir uns Luft verschaffen können. Aber wenn's schiefgeht, sind wir auf einmal mittendrin und dann wird man sehen, wie gefestigt das Nervenkostüm ist.
krone.at: Der nächste Gegner, SV Mattersburg, ist diesen extremen Druck im Abstiegskampf seit Jahren gewohnt. Ein Nachteil für Ihre Mannschaft?
Stöger: Es ist schon ein kleiner Vorteil für Mattersburg. Meine Spieler, die geblieben sind, haben diese Situation noch nie gehabt. Und die, die dazugekommen sind, auf dieser Ebene sowieso noch nie.
krone.at: Sie haben mit Torhüter Jörg Siebenhandl Ihren ersten Neustädter Teamspieler "produziert". Wie stolz sind Sie darauf und welchen Anteil messen Sie sich selbst daran bei?
Stöger: Den Hauptanteil hat der Jörg selbst. Er hat gearbeitet, keine Fehler gemacht, uns vor Niederlagen bewahrt, daher freut es mich. Den nächsten großen Anteil hat Torwarttrainer Günther Kreissl. Für mich selbst nehm' ich nur in Anspruch, dass ich von Beginn an gesagt habe "Mir gefällt der Bua" und ihn spielen hab' lassen.
krone.at: Ein anderer sehr junger Mann hat Wiener Neustadt zuletzt dagegen sehr fragwürdige Publicity eingebracht: Nikon El Maestro. Wie leid tut's Ihnen – abgesehen davon, was El Maestro von sich gegeben hat – um den Fußballer, das angebliche Wunderkind?
Stöger: In erster Linie tut's mir um ihn selbst leid. Er hat von uns zum ersten Mal eine Chance bekommen, im Profigeschäft Fuß zu fassen. Ich habe zu Beginn gesagt, das Entscheidende für ihn wird sein, ob er es schafft, sich aufs Wesentliche zu konzentrieren. Das ganze Rundherum, das ihn als Wunderkind für die Medien so modern gemacht hat, war kontraproduktiv. Bei uns hat er die Möglichkeit gehabt, ganz normal zu arbeiten und in einen Profikader integriert zu werden. Und diese Chance hat in Wahrheit – auch dank seiner Einsager und seiner Freunde – selbst vertan. Denn bei solchen Geschichten kann man einfach nicht wegsehen.
krone.at: Eine andere Lösung hätte es nicht gegeben? Immerhin hat man einem jungen Spieler ja einiges verbaut.
Stöger: Es ist ja schon jeder für sich selbst verantwortlich. Die Spieler wollen auf der einen Seite behandelt werden wie erwachsene Männer, auf der anderen Seite sagt man, das sei jugendlicher Leichtsinn gewesen. Ich glaube nicht, dass das, was gerappt wurde, 1:1 auf seine Einstellung umlegbar ist. Aber es ist nicht etwas, was im Affekt passiert ist. Und da nehme ich dann auch die Leute mit in die Verantwortung, die ihn jahrelang gepusht und gefördert haben: Die warenicht geschafft hat.
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