"Engel mit Eisaugen"
Berufungsgericht spricht Amanda Knox und “Ex” frei
Die US-Amerikanerin und ihr drei Jahre älterer Ex-Freund waren 2009 in einem der spektakulärsten Indizienprozesse der italienischen Geschichte wegen Mordes und Vergewaltigung an der britischen Studentin Meredith Kercher zu 26 beziehungsweise 25 Jahren Haft verurteilt worden. Beide Angeklagten hatten stets ihre Unschuld betont.
Pfiffe und Menschenmenge
Die Entscheidung des Berufungsgerichts wurde nach mehrstündigen Beratungen verkündet: Freispruch vom Vorwurf des Mordes, Verurteilung wegen Verleumdung - Knox hatte kurz nach ihrer Festnahme den kongolesischen Barmann Patrick Lumumba des Mordes beschuldigt, hat diese drei Jahre aber bereits abgesessen.
Vor dem Justizpalast in Perugia, vor dem sich eine große Menschenmenge versammelt hatte, ertönten Pfiffe und Buh-Rufe gegen den Freispruch. "Schande, Schande!", riefen einige Demonstranten. "Der Druck aus den USA" habe das Urteil der Richter beeinflusst, war zu hören.
"Bin dieselbe wie vor vier Jahren"
Zuvor hatte Knox in ihrem Schlussplädoyer am Montag eindringlich ihre Unschuld beteuert. "Ich bezahle mit meinem Leben für etwas, das ich nicht getan habe", sagte die 24-Jährige am Montag mit zitternder Stimme vor dem Gericht und flehte die Geschworenen an, ihr und Sollecito die "verdiente Freiheit" zurückzugeben.
"Es ist oft gesagt worden, dass ich eine andere Person bin, als es den Anschein hat. Aber ich bin dieselbe Person wie vor vier Jahren. Den einzigen Unterschied machen meine Leiden der letzten Jahre", so Knox, die jenseits des Atlantiks für das Opfer einer eher unfähigen italienischen Justiz gehalten wurde.
"Ich habe eine Freundin verloren"
"Ich habe eine Freundin verloren auf die furchtbarste und unerklärlichste Art und Weise. Wenn ich an jenem Abend nicht bei Raffaele gewesen wäre, wäre ich heute auch tot", so Knox in fast perfektem Italienisch (siehe auch Video in der Infobox). Sie wolle nach Hause in ihr normales Leben. "Ich möchte nicht, dass mir mein Leben und meine Zukunft für etwas genommen werden, das ich nicht getan habe." Sie sei unschuldig. "Ich habe nicht getötet, ich habe nicht vergewaltigt, ich war nicht an dem Ort des Verbrechens."
Auch Sollecito hob in seiner Ansprache vor den Richtern seinen Leidensweg während der vierjährigen Gefangenschaft hervor. Nur dank seines Vertrauens in die Justiz und in seine Unschuld habe er die Hoffnung auf Freiheit nicht verloren. Der süditalienische Student, dessen wohlhabende Eltern die Staranwältin Giulia Bongiorno angeheuert hatten, bestritt die Version der Staatsanwälte, nach der er der "skrupellosen Amanda" vollkommen hörig war.
DNA-Spuren als zweifelhafter Beweis
Seit November 2010 hatten Knox und Sollecito versucht, in dem Berufungsprozess ihre Unschuld zu beweisen. Der Ausgang des Verfahrens war bis zuletzt unklar, ein Freispruch galt allerdings als wahrscheinlich. Zu den Hauptargumenten der Verteidigung gehörten Fehler in der Spurensicherung.
"Der einzige Beweis der Anklage, der Raffaele mit der Tat verbindet, hätte von Anfang an nicht benutzt werden dürfen", betonte Sollecitos Anwältin kurz vor der Urteilsverkündung. So seien undeutliche DNA-Spuren auf einem Büstenhalter des Opfers sichergestellt worden, der erst 46 Tage nach der Tat gefunden worden sei. Auch die auf dem mutmaßlichen Mordmesser festgestellten DNA-Spuren von Amanda Knox seien offensichtlich verunreinigt, wie Rechtsmediziner festhielten. Man könne "mehrere genetische Profile" darin erkennen.
Die Staatsanwälte wiesen diese These bis zuletzt kategorisch zurück, Vertreter der Polizei verteidigten die Spurensicherung. Die Staatsanwaltschaft hatte für Knox und ihren Ex-Freund eine lebenslange Haftstrafe gefordert.
21-Jährige vergewaltigt und niedergemetzelt
Die 21 Jahre alte britische Studentin Meredith Kercher war am 2. November 2007 mit durchschnittener Kehle, vergewaltigt, halb nackt und von Messerstichen und Verletzungen übersät in ihrer und Knox' gemeinsamer Wohnung in Perugia gefunden worden. Vor zwei Jahren wurden Knox und Sollecito für schuldig erklärt, Kercher bei ausufernden Sexspielen getötet zu haben, weil die Britin nicht mitmachen wollte. Langweile und Drogengenuss hätten ebenfalls eine Rolle gespielt.
Ein Mittäter wurde in dem Mordfall in einem Schnellverfahren zu 16 Jahren (das Urteil wurde von ursprünglich 30 Jahren herabgesetzt) wegen Beihilfe verurteilt. Er trat später als Belastungszeuge der Anklage auf. Die Eltern des Opfers beklagten vor der Urteilsverkündung am Montag, dass im Medienrummel vom wahren Opfer des Mordes - ihrer Tochter - keine Rede mehr gewesen sei.
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