„Historischer Tag“
Deutschland nimmt heute die letzten AKWs vom Netz
Ein Moment für die Geschichtsbücher: Die deutschlandweit letzten drei Atomkraftwerke werden am Samstag vom Netz gehen. Die finale Abschaltung wird kurz vor Mitternacht erwartet. Damit endet nach mehr als 60 Jahren die Stromgewinnung aus Atomkraft in Deutschland. Kernkraftgegner wollen das Ende in mehreren Städten mit Kundgebungen begleiten.
Während die Debatte politisch in den vergangenen Tagen immer wieder schwelte, haben sich die Betreiber lange im Voraus auf den Stichtag vorbereitet. Die Leistung der Reaktoren Isar 2, Emsland und Neckarwestheim 2 wird kontinuierlich gesenkt. Danach wird der Generator vom Stromnetz genommen und der Reaktor komplett abgeschaltet.
Die AKW hätten eigentlich schon Ende vergangenen Jahres vom Netz gehen sollen. Wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine und der dadurch ausgelösten Energiekrise beschloss die Ampel-Koalition im vergangenen Jahr jedoch, die drei letzten Kraftwerke über den Winter weiterlaufen zu lassen. Am Samstag müssen sie nun entsprechend dem geänderten Atomgesetz endgültig heruntergefahren werden.
Politische Debatte um AKWs geht weiter
Die politische Debatte um einen Weiterbetrieb der Meiler damit aber noch nicht vorbei. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai forderte, diese Technologie nicht völlig aufzugeben: „Die Kernenergie muss auch nach dem Ausstieg eine Zukunft in Deutschland haben. Dazu gehört, dass wir die Forschung auf dem Gebiet der Kernfusion ausweiten und die Chancen neuer und sicherer Technologien der Kernspaltung nutzen.“
Wenn es nach dem FDP-Vorsitzenden Christian Lindner ginge, sollten die drei Kernkraftwerke in der Reserve belassen und nicht zurückgebaut werden. „Wenn wir sie in den nächsten zwei, drei Jahren ans Netz bringen müssten, hätten wir diese Chance“, sagte der Finanzminister am Freitagabend dem Fernsehsender Welt. Doch das scheitere am Koalitionspartner Grüne.
Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder sagte am Freitagabend im Interview der ARD-„Tagesthemen“, er glaube an eine Neuauflage der Kernenergie. „Wir spüren diese große Energiekrise, wir brauchen jedes Fitzelchen Energie“, so der CSU-Politiker.
Wir spüren diese große Energiekrise, wir brauchen jedes Fitzelchen Energie.
Markus Söder, Ministerpräsident Bayerns
Bild: APA/AFP/POOL/Peter Kneffel
Hessens Ministerpräsident Boris Rhein forderte mehr Forschung an neuen Technologien. „Der Ukraine-Krieg und die Energiekrise zeigen uns, dass wir uns breit aufstellen müssen. Wir müssen besonders angesichts des Atomausstiegs technologieoffen Forschung fördern. Nicht nur aussteigen, sondern auch mal einsteigen“, sagte er der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.
Erleichterung bei den Grünen
Erleichtert blickt dagegen Deutschlands Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) auf das anstehende Ende der Kernenergie. „Der Atomausstieg macht Deutschland sicherer“, sagte die Grünen-Politikerin. „Die Risiken der Atomkraft sind im Falle eines Unfalles letztlich unbeherrschbar.“
Deutschlands früherer Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, bei einem Weiterbetrieb der AKW bestehe die Gefahr, sich in eine erneute Abhängigkeit von Russland zu begeben. Die FDP müsse die Frage beantworten, ob sie „das Uran dann wieder aus Russland holen“ wolle. „Wir haben uns gerade beim Gas aus der Abhängigkeit befreit. Dieses Geschäft möchte ich Putin nicht gönnen“, so Trittin.
„Historischer Tag“
Die Umweltschutzorganisation Greenpeace sprach von einem „historischen Tag“. Jasmin Duregger, Klima- und Energieexpertin bei Greenpeace in Österreich, erklärte am Samstag: „Das ist ein riesiger Meilenstein in Richtung erneuerbare Energien und einer sicheren und grünen Energiezukunft. Gleichzeitig droht Atomkraft aber in anderen EU-Ländern, wie Frankreich, unter dem Scheinargument Klimaschutz eine Renaissance zu erleben.“ Die Umweltschutzorganisation fordert deshalb das Ende der Kennzeichnung von Atomkraft als grüne Energie und hat dazu bereits eine Klage gegen die EU-Taxonomie in Vorbereitung.
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