Gelten die Grundrechte auch für Beschuldigte in Strafverfahren? Diesem Thema widmet sich derzeit die ÖVP. Konkret geht es in der Diskussion darum, ob es ein Zitierverbot für Medien aus Verfahrensakten geben soll.
Vor diesem Hintergrund schlug Verfassungsministerin Karoline Edtstadler am Samstag in sozialen Netzwerken vor, ein solches Verbot aufzuerlegen und berief sich dabei auf das in Deutschland geltende Modell. „Grundrechte gelten für alle Menschen, auch für Beschuldigte in Strafverfahren“, argumentierte sie den neuerlichen Vorstoß.
„Deutliche Schieflage“
„Es gibt selbstverständlich ein öffentliches Interesse, über Straftaten, Verdachtsmomente, Ermittlungen und Strafverfahren zu berichten - ganz besonders, wenn es um Politik oder das sensible Thema Korruption geht“, meinte Edtstadler. Ebenso habe „der mutige Investigativjournalismus“ eine zentrale Bedeutung im System der „Checks and Balances“.
In vielen Fällen der jüngeren Vergangenheit sei aber praktisch alles, was sich im Strafakt befindet, auch an die Öffentlichkeit gelangt, kritisierte die Ministerin diese „deutliche Schieflage“.
Laut Edtstadler müssen Grenzen gezogen werden
Edtstadler geht es nun „um eine notwendige Grenzziehung“ zwischen den Rollen im Rechtsstaat: „Medien recherchieren und berichten, Polizei und Staatsanwaltschaften ermitteln und decken auf und Gerichte wiegen ab und entscheiden.“ In dieser Rollenverteilung habe eine beschuldigte Person Grundrechte, die auch in Verfassungsrang stehen, wie das Recht auf ein faires Verfahren und damit die Unschuldsvermutung sowie den Schutz des Privatlebens.
Deutschland als Vorbild
Österreich brauche daher ein Zitierverbot nach deutschem Vorbild für das Stadium des Ermittlungsverfahrens, also bevor es zu einer Anklage und damit zur öffentlichen Verhandlung kommt, präzisierte die Ministerin. Dem öffentlichen Informationsbedürfnis könne auch ausreichend Genüge getan werden, ohne dass wörtlich aus den Strafakten zitiert wird, ganze Vernehmungen abgedruckt werden oder private Chats die Titelseiten füllen.
„Die ÖVP sollte sich weniger auf den medialen Umgang mit Chats und Strafakten konzentrieren, sondern mehr damit, die darin ersichtlichen Missstände zu beheben“, meinte der stellvertretende NEOS-Klubobmann Niki Scherak Samstagabend in einer ersten Reaktion. „Medien unterliegen ohnehin sowohl rechtlich als auch in ihrer Selbstkontrolle strengen Regeln, was den Umgang mit strafrechtlichen Vorwürfen angeht. Und dienstliche Kommunikation und Postenkorruption sind nicht privat.“
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