Demo-Sonntag in Wien: Seit den frühen Morgenstunden herrscht Ausnahmezustand in Wien-Mariahilf. Grund: die Lesung einer Dragqueen vor Kindern. Die Sicherheitsmaßnahmen sind hoch, die Polizei in einem Großaufgebot im Einsatz. Sieben Demos sind angekündigt - und nicht jede für die Veranstaltung. Im Zuge eines Protestmarsches gab es dann erste Zwischenfälle.
Mit Sperrgittern war die Villa bereits seit 7 Uhr großräumig abgesperrt worden. Die Polizei war mit einem Großaufgebot im Einsatz. Es wurde eine Art Pufferzone errichtet. Neben zahlreichen Polizeibussen war auch die Zahl der Beamten enorm.
Wie die „Krone“ vor Ort beobachten konnte, hatten sich im Umkreis der Türkis-Rosa-Lila-Villa bei der Linken Wienzeile - in diesem Gebäude begann gegen 10 Uhr die Lesung - weit mehr Befürworter als Gegner der Veranstaltung eingefunden. Unter den Gegnern der Veranstaltung wurde auch der Identitäre Martin Sellner gesichtet.
Video: Demo-Sonntag vor der Türkis-Rosa-Lila-Villa
Lage drohte zu eskalieren
Die Stimmung vor Ort präsentierte sich jedenfalls aufgeheizt. Aufseiten der Gegen-Demo gab es zumindest eine Amtshandlung, bestätigte die Polizei. Nachdem ein Teilnehmer den Hitlergruß gezeigt hatte, wurde dieser nach dem Verbotsgesetz angezeigt. Im Zuge des folgenden Demomarsches am Ring drohte die Situation zu kippen, auch Pfefferspray dürfte zum Einsatz gekommen sein, die Exekutive konnte die beiden Lager aber in weiterer Folge auf Abstand halten und trennen.
Per Aushang richtete die Türkis-Rosa-Lila-Villa Worte der Entschuldigung „für eventuelle Unannehmlichkeiten“ an Anrainer aufgrund der Demonstrationen und verwies auf die Protestaktion von „rechten Extremisten“ vor der Villa, die mit einer Gegendemo hinter der Villa beantwortet wird. „Der Protest und die Reden der Extremisten könnten laut und chaotisch werden. Wir bedauern, dass sie die Nachbarschaft in diese Situation bringen.“
Für den Nachmittag haben sich als Redner auf der Solidaritätskundgebung der Lesung unter anderem Mariahilfs Bezirkvorsteher Markus Rumelhart (SPÖ), Nationalratsabgeordnete Ewa Ernst-Dziedic (Grüne) und Conchita Wurst angekündigt. Auch Dragqueen Candy Licious selbst wird eine Ansprache halten.
Es kann nicht die Konsequenz sein, dass die Einschüchterung funktioniert.
Eine Mutter bei der Lesung
Jene Familien, die sich für die Dragqueen-Lesung angemeldet hatten, ließen sich von dem Trubel nicht abschrecken. „Es kann nicht die Konsequenz sein, dass die Einschüchterung funktioniert“, betonte eine Mutter. Rund 40 Personen waren, wie ursprünglich geplant, zur Veranstaltung gekommen, die wegen der Demos in den ersten Stock verlegt worden war.
Am heutigen Tag hat die Wiener Gesellschaft gezeigt, wie tolerant und bunt sie ist.
Freya van Kant zeigt sich mit Blick auf die Solidaritäts-Veranstaltung zufrieden.
„Hier wird nicht über Sex gesprochen“
Dort inszenierte Künstlerin Freya van Kant im roten Glitzer-Tüllkleid und auftoupierter blonder Perücke eine Märchengeschichte, wie man sie aus dem klassischen Erlebnis-Kindertheater kennt, samt Tanzeinheit und Fechtrunde mit Schwimmnudeln - nur dass diesmal die Prinzessin den vom Drachen verschleppten Prinzen retten musste und nicht umgekehrt. „Hier wird nicht über Sex gesprochen. Hier geht es um Lieblingsfarben, um Lieblingskleidung und darüber was es bedeutet, einzigartig zu sein“, betonte Stephane Magloire, Organisator des „Queens Brunch“.
„Das sind Geschichten, die jedem Kind guttun“, es gehe darin um Menschenwürde und auch um christliche Werte wie Nächstenliebe. Es sei sehr befremdlich, dass ein „rechter Mob“, dessen einziges Ziel es sei, Zwietracht zu sähen und Angst zu verbreiten, gegen Derartiges mobilisiere, so van Kant. Kurz habe sie darüber nachgedacht, die Veranstaltung abzusagen, die Überlegung dann aber wieder rasch verworfen. Auch die zur Veranstaltung angemeldeten Eltern hätten einhellig rückgemeldet, dass es ihnen trotz der Demo wichtig sei, zur Veranstaltung zu kommen.
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