„Build Your Dreams“ klingt für die meisten Leute noch eher nach dem Titel eines Persönlichkeits-Seminars als nach einem der größten Autohersteller Chinas. Drei Modelle (Atto 3, Han und Tang) sind in Österreich bereits erhältlich, zwei kommen dieses Jahr noch dazu. Eines davon ist der BYD Dolphin, ein Kompakt-Elektroauto in der Größe von VW ID.3 und MG4. „Krone“-Motorredakteur Stephan Schätzl stellt ihn hier im Video vor.
Darauf, dass der BYD Dolphin (BYD ist die Abkürzung für Build Your Dreams) etwas mit Delfinen zu tun haben soll, würde man nicht zwingend als Erstes kommen, aber er gehört zur aktuellen Designlinie des Unternehmens, die „Ocean Aesthetics“ genannt wird, seine Inspiration also aus allem rund um das Thema Meer bezieht. Man mag dem fließende Linien, auch im Innenraum, und vor allem die inneren Türgriffe zuordnen, die in ihrer Form an Delfin-Flossen erinnern.
Man kann das Auto aber auch nüchtern betrachten, was der natürliche Zugang ist, denn ein emotionales Verhältnis wird man zunächst nicht aufbauen. Für uns Mitteleuropäer ist BYD eine unbekannte China-Marke wie viele andere auch, mit der wir genau nichts verbinden. Außer vielleicht Skepsis. Dass in unserem Smartphone möglicherweise eine BYD-Batterie steckt - wie übrigens auch in Teslas Model 3 und Y - wissen wir ja nicht. Bzw. wussten.
BYD ist also nicht irgendwer, sondern eine wahre Größe, obwohl es das Unternehmen erst seit 1995 gibt und erst seit 20 Jahren Autos baut. Aber Chinesen lernen schnell- und sie lernen auch schnell, was der europäische Kunde will. Das sieht man nun auch am BYD Dolphin.
Der sieht zwar von vorn betrachtet aus wie ein Kleinwagen, hat aber ein absolut erwachsenes Format: 4,29 Meter lang, 1,57 m hoch und 1,77m breit. Das entspricht ziemlich genau dem VW ID.3, der lediglich einen Hauch breiter dasteht. Der Radstand misst 2,70 m (wie beim Renault Megane E-Tech). Das Design ist gefällig und wirkt europäisch. Gut, dafür zeichnet ein Deutscher verantwortlich: Designchef Wolfgang Egger bekleidete diese Funktion im Lauf seiner Karriere bereits bei Alfa Romeo, Seat, Lancia, Audi und Lamborghini.
Absolut kein Billigauto
Beachtlich ist die Wertigkeitsanmutung im Chinesen. Der Innenraum ist kreativ, harmonisch und ansprechend gestaltet, das Display der Top-Variante misst 15,4 Zoll und wechselt auf Knopfdruck zwischen vertikaler und horizontaler Ausrichtung (eine Art „signature move“ bei BYD). Knopfdruck ist dabei wörtlich zu nehmen: Am Lenkrad und auf der Mittelkonsole befinden sich echte Knöpfe, keine Touchflächen. Bravo!
Es gibt genug Ablagen, darunter ein gut erreichbares Fach zentral am Armaturenbrett; außerdem steht zwischen den Vordersitzen eine Handy-Ladeschale zur Verfügung
Am Bediensystem wird noch gearbeitet, es hinterlässt aber schon einen guten Eindruck und die Grafik ist schnell, auch beim Navigieren. Bis zum Marktstart soll dann auch Deutsch als Menüsprache verfügbar sein. Apple CarPlay und AndroidAuto sind zunächst nur mit Kabel, später aber auch drahtlos verfügbar.
Der Materialmix geht in Ordnung, auch wenn einiges an hartem Plastik eingesetzt wurde, etwa oben auf der Türverkleidung oder vorn, oben auf dem Armaturenbrett. Aber die Oberflächen sind strukturiert, das macht sie ansehnlich. So entsteht kein Billigeindruck. Das ist gut, denn BYD ist von seinem Selbstverständnis her keine Billigmarke und will auch nicht als solche wahrgenommen werden. Das unterstreicht auch das satte Geräusch beim Zuschlagen der Türen.
Die Sitze mit ihren integrierten Kopfstützen sind sehr bequem und bieten Seitenhalt, die Oberflächen fühlen sich angenehm an. Das Platzangebot ist top, auch auf den Rücksitzen, wo auch groß Gewachsene hinter ebensolchen ausreichend Kniefreiheit vorfinden. Lediglich der Kofferraum ist etwas klein geraten. 345 bis 1310 Liter sind nicht allzu viel, und klassenüblich ist auch kein Front-Kofferraum (Frunk) vorhanden, obwohl man den unter der Haube durchaus hätte unterbringen können.
Schnell beschleunigen, langsam laden
Den Antrieb besorgt ein 150 kW/204 PS bzw. 290 Nm starker Elektromotor, der die Vorderachse antreibt. Das schafft er mit der nun vorgestellten 60,5 kWh fassenden Batterie nach WLTP 427 Kilometer weit. Außerdem 160 km/h schnell. Der Standardsprintwert des ohne Fahrer 1658 kg leichten Delfins wird mit 7,0 Sekunden angegeben.
Das ist zackig und fühlt sich auch spritzig an. Beim Laden lässt sich der BYD Dolphin aber etwas Zeit: Er lädt mit einer Maximalleistung von 88 Kilowatt. Als Ladezeit gibt der Hersteller 29 Minuten an, um von 30 auf 80 Prozent zu kommen. So lange dauert das bei keinem der Konkurrenten.
Später soll eine kleinere - rund 40 kWh große - Batterie nachgereicht werden, die rund 300 km Reichweite ermöglichen soll.
Besondere Batterietechnik
Der Clou ist aber die Batterie an sich: Es handelt sich nicht um Lithium-Ionen-Akkus, sondern um eine „LFP-Blade-Battery“, also Lithium-Eisen-Phosphat-Akkus, welche ohne Kobalt und Nickel auskommen. Die haben den Vorteil, dass sie besonders sicher und langlebig sind. Sie fangen nicht so leicht zu brennen an, wenn sie bei einem Unfall von einem Metallstück durchbohrt werden. Und die Haltbarkeit ermöglicht eine extreme Batteriegarantie: zehn Jahre ohne Kilometerbegrenzung für 80 Prozent Kapazität. Das ist auch ein Grund dafür, dass BYD keine höhere Ladeleistung zulässt. Tesla steuert das bei identischen Batterien anders.
Serienmäßig wird eine Wärmepumpe an Bord sein, außerdem die Vehicle2Load-Funktion, man kann also per Adapter mit dem Auto-Akku eine Kühlbox, eine E-Bike oder sogar ein anderes Elektroauto laden.
Fahrwerk? Vorserie.
Für erste bewegte Kilometer standen Vorserienfahrzeuge zur Verfügung. Auf abgesperrter Strecke zeigte sich, dass die Fahrdynamiker bei BYD noch etwas Arbeit vor sich haben. Im Moment fühlt sich der Dolphin komfortabel, aber noch etwas schwerfällig an, die Lenkung indirekt und ohne präzise Rückstellung. Damit könnte man schon leben, aber die Konkurrenz macht das besser. Außerdem ist der Anspruch bei „Build Your Dream“ hoch. Und die Lernkurve steil, wie man hört.
Viele Assistenzsysteme
Bereits serienmäßig sind Assistenten von der Notbremse bis Heckkollisions- und Querverkehrswarner bzw. Querverkehrsbremse hinten an Bord, optional reicht das Angebot von der 360-Grad-Kamera bis zum Adaptivtempomaten.
Die Preise
Was der BYD Dolphin kosten soll, wurde bisher noch nicht im Detail verraten, schließlich kommt er erst im Spätsommer auf den Markt. Der Einstiegspreis soll um die 30.000 Euro liegen, mit dem kleinen Akku und Basisausstattung. Für die Topausstattung mit großer Batterie werden 38.000 Euro fällig. Dazwischen liegt viel Phantasie, darüber wahrscheinlich auch. Die Zweifarblackierung wird vermutlich extra kosten.
Andererseits: Wenn Tesla weitere Runden mit Preissenkungen spielt, wird sich an den BYD-Preisen vielleicht auch noch etwas ändern. Bei aller Wertschätzung für den nach eigenen Angaben größten E-Auto-Hersteller der Welt wird es in Europa wohl einen gewissen Preisabstand zu etablierten Herstellern brauchen.
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