„Wollte das nicht“

20 Jahre Haft für Messermord an gutem Freund

Gericht
18.04.2023 15:20

Mehmet Y. (34) muss wegen Mordes 20 Jahre ins Gefängnis. Das entschieden die Geschworenen des Salzburger Landesgerichts am Dienstag. Der arbeitslose Hilfsarbeiter hat einen langjährigen Freund am 6. April des Vorjahres mit mehreren Messerstichen getötet. Für seinen Werdegang - der Mann hat 15 Eintragungen im Strafregister - machten der Angeklagte und sein Verteidiger eine Drogensucht und einen äußerst schwierigen familiären Hintergrund verantwortlich. Mit brüchiger Stimme beteuerte der Verurteilte im Verhandlungssaal: „Ich wollte nicht, dass er stirbt.“

Der Schuldspruch der Geschworenen fiel einstimmig. Die vorsitzende Richterin verkündete um 15.10 Uhr das Strafmaß, lautend auf 20 Jahre Haft. Für den Fall der Rechtskraft heißt das: Der mutmaßliche Messermörder Mehmet Y. kommt frühestens in 15 Jahren aus dem Gefängnis. Mildernd wertete das Gericht das Geständnis des Mannes und die eingeschränkte Schuldfähigkeit. Vor lebenslanger Haft bewahrte ihn laut der Vorsitzenden die geständige Verantwortung. Verteidiger Kurt Jelinek verkündete Rechtsmittelverzicht. Die Staatsanwältin gab keine Erklärung ab. Das Urteil ist somit nicht rechtskräftig.

Opfer hinterließ vier Kinder
Das 33-jährige Opfer hinterließ vier Kinder. Für diese sowie für die Mutter und die Geschwister des Getöteten forderte Rechtsanwalt Stefan Rieder im Prozess insgesamt eine halbe Million Euro. Zugesprochen wurden davon insgesamt 200.000 Euro an die Kinder und die Mutter des Opfers.

(Bild: Markus Tschepp, Krone KREATIV)

„Ich wollte nicht, dass er stirbt“
„Ich bin nicht mit der Idee zu ihm gekommen, ihm etwas anzutun. Ich wollte das nicht. Ich wollte nicht, dass er stirbt“, sagte der Angeklagte, als er sich gegen 9.30 Uhr im Schwurgerichtssaal des Salzburger Landesgerichts erstmals im Detail zu seiner Tat äußerte. Weiter: „Sonst hätte ich den Notruf nie gewählt. Er war ein Mensch, zu dem ich gegangen bin, wenn ich Zuflucht gesucht habe. Da habe ich meine Ruhe gehabt.“

Mutmaßlicher Mörder rief selbst die Polizei
Den Polizeieinsatz nach der Tat löste Mehmet Y. um 6.27 Uhr selbst aus. „Ich verliere Blut, da hat mich einer abgestochen“, soll er in einem Notruf gesagt haben. Polizisten fanden den Drogensüchtigen, bekleidet lediglich mit Socken und Jogginghose, vor dem Wohnhaus des Opfers in der Joseph-Messner-Straße. Der blutverschmierte Mann hatte eine Stichwunde an der Oberlippe. Im Wohnhaus fanden Polizisten das 33-jährige Opfer reglos vor. Der Freund aus Hauptschulzeiten war blutüberströmt, mit Messerstichen überzogen. Aus dem Bauch hing der Darm des Opfers.

In diesem Haus in Salzburg-Parsch kam es zu dem Tötungsdelikt (Bild: Tschepp Markus)
In diesem Haus in Salzburg-Parsch kam es zu dem Tötungsdelikt

Fünf Messerstiche in Kopf, Brustkorb, Bauch und Rücken
Insgesamt fünf Messerstiche in Kopf, Brustkorb, Bauch und Rücken sowie zwei Schlagverletzungen am Kopf - beigebracht mit einem Akkuschrauber - stellten Gerichtsmediziner am Körper des Opfers fest. Todesursache: Verbluten nach einem Durchstich der Leber. Laut Professor Christian Matzenauer von der Gerichtsmedizin sei es anzuzweifeln, dass Ärzte den Mann hätten retten können, selbst wenn er gleich ins Krankenhaus gekommen wäre. Das Opfer hätte nach Erleiden der Verletzungen noch mehrere Minuten gelebt.

Der Angeklagte zog es bislang vor, zur Tat zu schweigen. Gegenüber medizinischem Personal und Polizisten redete er kurz nach dem Vorfall davon, dass sich der 33-Jährige selbst etwas antun haben wollen. Er habe versucht, sich im Badezimmer mit einem Messer umzubringen. Daran hätte er ihn hindern wollen, wobei das Opfer zugestochen und er das Weite gesucht habe.

(Bild: Markus Tschepp)

Streit wegen eines „Joints“ führte zur Bluttat
Im Gerichtsaal meinte er, dass er an dem Abend zu seinem Freund gefahren sei, weil es Probleme mit seiner Lebensgefährtin gegeben habe. Das Opfer bezahlte sogar das Taxi des Mannes. Dann sei es - nach dem Konsum mehrerer Biere - zu einem Streit gekommen. Das Opfer habe sich darüber aufgeregt, dass Mehmet Y. in seiner Wohnung Cannabis rauchen wollte.

„Hatte einen Schock
„Ich sagte, er soll seinen Mund halten“, so der Angeklagte. Dann habe ihn sein Gegenüber geschlagen. „Ich habe dann einen Akkuschrauber vom Tisch genommen und ihn damit gehauen. Dann ging es hin und her. Er nahm ein Messer. Da hatte ich einen Schock“, so der mehrfach Vorbestrafte. Es sei zu einem Gerangel gekommen, in dem das Messer im Spiel war.

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Ich sah viel Blut am Boden. Ich merkte, dass er verletzt ist. Es war kein schöner Anblick. Ich habe den Notruf gewählt, er hat das Handy genommen und es weggeworfen - so als wollte er keine Hilfe.

Der Angeklagte

Was genau passiert sei, wisse er nicht mehr. Aber er habe zugestochen. Und: „Ich sah viel Blut am Boden. Ich merkte, dass er verletzt ist. Es war kein schöner Anblick. Ich habe den Notruf gewählt, er hat das Handy genommen und es weggeworfen - so als wollte er keine Hilfe.“

„Ich wollte nicht zustechen.“
Einen - zumindest bedingten - Mord-Vorsatz stellte der Familienvater in Abrede. „Ich wollte nicht zustechen. Ich wollte das nicht. Ich wollte nicht, dass ihm etwas passiert“, so der Angeklagte. Die vorsitzende Richterin wollte wissen: „Haben Sie sich überlegt, dass man nach einem Stich tot sein kann?“ Der Angeklagte erwiderte: „In dem Moment nicht.“

Lokalaugenschein am Tatort (Bild: Tschepp Markus)
Lokalaugenschein am Tatort

Angeklagter schrieb Mutter des Opfers einen Brief
Nach einer Unterredung mit seinem Verteidiger Kurt Jelinek beschloss der Angeklagte, nichts mehr zu sagen und es bei seinem Geständnis zu belassen. Jelinek hielt fest: Sein Mandant habe die Tat nicht geplant und es tue ihm leid, dass die Situation aus dem Ruder gelaufen ist.

Für die Mutter des Opfers hatte Mehmet Y. einen Brief dabei, den er Stefan Rieder, dem Prozessvertreter der Familie, übergab. „Es tut mir leid. Ich hoffe, sie kann mir vergeben. Ich verstehe aber auch, wenn sie das nicht kann“, so der Angeklagte in seinen letzten Worten vor Eröffnung des Beweisverfahrens.

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Es tut mir leid. Ich hoffe, sie kann mir vergeben. Ich verstehe aber auch, wenn sie das nicht kann.

Der Angeklagte in Richtung der Mutter des Opfers

Rechtsanwalt Kurt Jelinek (Bild: Markus Tschepp)
Rechtsanwalt Kurt Jelinek

„Es gibt keinen Grund. Es gibt kein Motiv.“
Kurt Jelinek hatte zu Prozessbeginn ein volles, reumütiges Geständnis angekündigt. „Es gibt keinen Grund. Es gibt kein Motiv. Es muss im Drogenrausch zu einem verhängnisvollen Streit gekommen sein. Es ist einfach nur bedauerlich. Er kann es nicht mehr ungeschehen machen“, so Jelinek in seinem Eröffnungsplädoyer. Der Strafverteidiger ersuchte die Geschworenen, auf den massiven Drogenkonsum und die, damit einhergehende, eingeschränkte Zurechnungsfähigkeit des Mannes Bedacht zu nehmen. Im Blut des Mannes fand ein Labor Morphin, Kokain, Codein, Beruhigungsmittel, Cannabis und Alkohol. Einen Alkotest verweigerte er zunächst. Eine Gutachterin bejahte die Zurechnungsfähigkeit.

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Es gibt keinen Grund. Es gibt kein Motiv. Es muss im Drogenrausch zu einem verhängnisvollen Streit gekommen sein. Es ist einfach nur bedauerlich. Er kann es nicht mehr ungeschehen machen.

Strafverteidiger Kurt Jelinek

Verteidiger betont schwierige Kindheit und Drogensucht
Außerdem: „Wenn jemand eine schwierige Kindheit gehabt hat, dann er.“ Der Vater habe ein schweres Alkoholproblem gehabt, sei gewaltbereit gewesen. Als der heutige Angeklagte zehn Jahre alt war, habe der Vater die Schwester niedergestochen. Dann habe er dem Kind das Messer in die Hand gedrückt und gewollt, dass es die Schuld auf sich nimmt. Eine Schwester sei an einer Drogenüberdosis gestorben, eine habe sich das Leben genommen. „Die Drogensucht hat ihn dahin gebracht, wo er ist. Er hat versucht, da herauszukommen. Er war nicht stark genug, sich von der Sucht zu lösen“, so Jelinek. 
Eben diese fehlende Stärke bringt Mehmed Y. nun für viele Jahre hinter Gitter.

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