Verschwörungsmythen

Antisemitismus nach Krisen auf dem Vormarsch

Politik
18.04.2023 13:09

Angesichts der Vergangenheit Österreichs eigentlich unvorstellbar, dennoch glauben nach wie vor viele Menschen in diesem Land an antisemitischen Verschwörungstheorien. Die Krisen der vergangenen Jahre haben diesen Aberglauben teilweise noch befeuert, wie der am Dienstag präsentierte Antisemitismusreport des Parlaments nun zeigt. 

Zum dritten Mal - nach 2018 und 2020 - erhob IFES im Auftrag des Parlaments die Einstellung gegenüber Jüdinnen und Juden. Für die aktuelle Studie wurden von Mitte Oktober bis Ende November des vergangenen Jahres 2.000 Personen ab 16 Jahren telefonisch und online befragt. Auch diesmal wurde die Gesamtstichprobe aufgestockt, indem fast 1000 in Österreich lebende Menschen mit türkischem oder arabischem Migrationshintergrund in einer eigenen Stichprobe berücksichtigt wurden.

Jahrtausendealte Verschwörungsmythen
Das Ergebnis: Teilweise Jahrtausende alte Verschwörungsmythen haben wesentlichen Einfluss auf antisemitische Einstellungen. Dabei müssen diese nicht einmal per se etwas mit dem Judentum zu tun haben. Aber auch andere Faktoren gibt es. So drücken Menschen mit höherem Bildungsgrad deutlich weniger Zustimmung zu antisemitischen Aussagen aus. Auch das Basiswissen über Jüdinnen und Juden ist entscheidend - etwa zur Anzahl der im Holocaust Ermordeten.

Eva Zeglovits (Mitglied der IFES-Geschäftsführung), Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka und der Geschäftsführer von Braintrust Thomas Stern (re.) stellten die „Antisemitismusstudie 2022 des Parlaments“ vor. (Bild: APA/ROBERT JAEGER)
Eva Zeglovits (Mitglied der IFES-Geschäftsführung), Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka und der Geschäftsführer von Braintrust Thomas Stern (re.) stellten die „Antisemitismusstudie 2022 des Parlaments“ vor.

So finden 36 Prozent der Befragten in einer IFES-Studie, dass Juden die „internationale Geschäftswelt“ beherrschten. 19 Prozent stimmten der Aussage, Juden hätten in Österreich zu viel Einfluss, zu. 18 Prozent sehen „jüdische Eliten“ für die aktuellen Preissteigerungen verantwortlich.

„Kein Zufall, dass die Juden so oft verfolgt wurden“
Verschwörungsmythen wuchern auch nach wie vor in Bezug auf den Holocaust. 36 Prozent fanden in der IFES-Studie, dass Juden heute „Vorteile“ aus der Verfolgung während des Nationalsozialismus ziehen wollten. Immerhin 19 Prozent stimmten der Aussage zu: „Es ist nicht nur Zufall, dass die Juden in ihrer Geschichte so oft verfolgt wurden; zumindest zum Teil sind sie selbst schuld daran.“ Und 11 Prozent fanden, dass die Berichte über Konzentrationslager und Judenverfolgung übertrieben seien.

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) (Bild: APA/ROBERT JAEGER)
Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP)

Weit mehr antisemitische Einstellungen fanden sich in der Aufstockungsgruppe mit Migrationshintergrund, wobei Projektkoordinator Thomas Stern betonte, dass es sich hier um keinen „monolithischen Block“ handle. Vor allem der israelbezogene Antisemitismus sei hier stärker vertreten. 62 Prozent meinten etwa, dass sich Israelis in Bezug auf Palästinenser nicht anders verhalten würden als die Deutschen im Zweiten Weltkrieg.

„Auf Krise folgt Antisemitismus“
Auch Ereignisse wie die Coronapandemie und Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine samt ihren Folgen hätten sich auf antisemitische Vorurteile ausgewirkt. „Man könnte sagen, auf Krise folgt Antisemitismus“, resümierte Stern. Studienleiterin Eva Zeglovits hatte aber auch Positives zu berichten. So hätten jüngere Befragte von 16 bis 25 Jahren Antisemitismus durchaus in ihrem Umfeld identifizieren können - vor allem in sozialen Netzwerken, aber auch in deren eigenem Bekanntenkreis und in der Schule.

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP), der auch Auftraggeber der Studie ist, bezeichnete den Antisemitismus ein weiteres Mal als Gefahr für die Demokratie. Es handle sich dabei auch um kein Phänomen politischer Randgruppen, sondern werde dort schlicht sichtbar. „Wir brauchen eine Vielzahl von Instrumenten und ein neues Denken“, plädierte Sobotka. Auf die Frage, warum seine Partei in Niederösterreich dann mit der FPÖ regiere, antwortete er lediglich, dass jede Bewegung ihre Vergangenheit aufarbeiten müsse.

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