Ein so genannter Haircut ist laut Steinbrück nur noch eine Frage des Wie und Wann. Meist werde von einem Nachlass von 50 Prozent der rund 370 Milliarden Euro Staatsschulden gesprochen. Danach müsse dem Land geholfen werden, seine Realwirtschaft wieder auf Vordermann zu bringen.
Mittel, um Griechenland unter die Arme zu greifen, gebe es auf europäischer Ebene genug, meinte Steinbrück. Sollte das nicht reichen, so sei auch die Einführung einer Finanztransaktionssteuer denkbar. Jedenfalls wäre das Risiko größer, wenn man zuließe, dass Griechenland sich weiter "durchwurschteln" dürfe.
"Anleihen sind schon abgeschrieben"
Ein Nachlass griechischer Staatsschulden träfe zweifellos einige europäische Banken, auch griechische, die dann rekapitalisiert werden müssten. Doch die hätten ihre Athener Staatsanleihen vielfach ohnedies schon deutlich abgeschrieben - und außerdem oft an öffentlich-rechtliche Einrichtungen weitergereicht, etwa an die Europäische Zentralbank. Rund 157 Milliarden Euro Staatsanleihen habe die EZB schon ihrer Bilanz, darunter griechische im Wert von etwa 45 Milliarden Euro. Dies könne man aber nicht EZB-Präsident Jean-Claude Trichet vorwerfen, denn die Euro-Notenbank sei durch eine ineffektive Politik seit dem Frühjahr 2010 zum Aufkauf solcher Bonds faktisch genötigt worden.
Die EZB müsse zu ihrer klassischen geldpolitischen Funktion zurückkehren, betonte der diplomierte Volkswirt, denn es sei nicht vorgesehen, dass die Euro-Hüter Staatsfinanzierung betreiben. Mit dem Bond-Aufkauf sei im Mai 2010 der Weg in die Haftungsunion gegangen worden, obwohl die EU genau genommen schon seit den Römischen Verträgen von 1957 eine Transferunion und Haftungsgemeinschaft sei - über diverse Vehikel, etwa die Strukturfonds.
"Verschlankungsprogramm" reicht nicht aus
Das derzeitige "Verschlankungsprogramm, das die Leute aus Protest auf die Straße schickt", sei jedenfalls zu wenig, um das Land zu retten. Wohin derartige Notmaßnahmen führten, habe sich Anfang der 30er-Jahre gezeigt, warnte Steinbrück und verwies auf die Brüningschen Notverordnungen unter Reichspräsident Paul Hindenburg: "Da ist der Patient - und auch die Demokratie - zugrunde gegangen."
Ständig einen Rettungsschirm nach dem anderen aufzuspannen, sei ebenfalls keine Lösung, warnte der Ex-Finanzminister. Da werde irgendwann die Legitimation der Bevölkerung in Europa fehlen, und man gebe "rechts-chauvinistischen Parteien" Raum, die dann aus den Reservoirs aller Parteien - "auch meiner, machen wir uns nichts vor" - schöpfen könnten.
Deshalb sollten bei den Rettungsbemühungen die nächsten Schritte reibungslos gelingen: Zunächst sei die Zustimmung des slowakischen Parlaments zur EFSF-Ausweitung erforderlich, erinnerte Steinbrück, wobei er sich ablehnend zu jüngsten Überlegungen äußerte, den EFSF durch einen "Hebel" noch weiter zu vergrößern. Danach sollte die nächste Griechenland-Tranche aus dem ersten Schirm ausgezahlt werden und dann bis Frühjahr 2012 der dauerhafte Europäische Stabilitätsmechanismus in Angriff genommen werden, "das ist die größte Hürde".
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