Historische Aufarbeitung einer schwierigen Zeit: Die Grazer Forscherin Katharina Bergmann-Pfleger legt eine umfangreiche Studie über die Tätigkeiten der Steiermärkischen Landesbibliothek zur Zeit des Nationalsozialismus vor.
„Der Hakenkreuz-Stempel liegt noch im Keller“, sagt Katharina Kocher-Lichem, Leiterin der Steiermärkischen Landesbibliothek, am Rande der Präsentation der neuen Studie. Es sind Spuren des Nationalsozialismus, die bis heute im Haus in der Kalchberggasse lagern. Als letzte der österreichischen Landesbibliotheken hat man nun auch dort eine Untersuchung der Tätigkeiten des Hauses zur NS-Zeit vorgestellt - verfasst von Katharina Bergmann-Pfleger, Mitarbeiterin am Ludwig Boltzmann Institut.
Diensttagebücher als wichtige Quelle
„Interessant sind vor allem die Diensttagebücher, die wir entdeckt haben und die uns erlauben, den Bibliotheksalltag zu der Zeit nachzuzeichnen“, erklärt sie. Die Schwierigkeiten, das Haus auch in Kriegszeiten offenzuhalten und Schäden zu minimieren, werden genauso nachgezeichnet, wie die neuen Regeln und Vorschriften, die mit dem Anschluss 1938 einhergingen: „Das Betretungsverbot für Juden etwa wurde schon einige Monate, bevor die Vorschrift in Kraft trat, umgesetzt“, weiß die Studienautorin.
Eine interessante Figur stellt dabei vor allem Julius Franz Schütz dar, der bereits vor dem Anschluss als Direktor ans Haus kam und es nicht nur während der NS-Zeit, sondern auch danach blieb: „Er war bestens vernetzt und hat stets den Vorteil für die Landesbibliothek gesucht“, erklärt Bergmann-Pfleger.
Schillernde Figur als Leiter
Als er 1938 etwa jüdische Werke vernichten sollte, packten er und seine Mitarbeiter sie in Schachteln und brachten sie in den Keller. Gleich verfuhr er nach 1945, als die Nazi-Bücher vernichtet werden sollten: „Bücher zu entsorgen, das schien ihm unmöglich.“
Er blieb dabei jedoch nicht ohne Makel, trat der NSDAP bei - als einfaches Mitglied. Gerne nahm er von den Nazis auch die Raubgüter aus steirischen Klosterbibliotheken in die Sammlung auf. „Der Bestand alter Handschriften konnte so verachtfacht werden.“ Doch bereits 1948 war deren Restitution wieder vollendet. Und auch der Ruf von Schütz schien keinen Schaden genommen zu haben - er blieb bis 1954 Leiter und wurde mehrfach für seinen Einsatz geehrt.
Provinienzforschung als Mammutprojekt
Wie viele „Raubbücher“ aus jüdischem Besitz ans Haus kamen, kann man heute nicht mehr sagen, weil sie nicht als solche ausgewiesen wurden. „Unsere Aufgabe als Teil der Provinienzforschung ist es nun, zu überprüfen, welche der 120.000 Werke, die wir zu prüfen haben, tatsächlich restituiert werden müssen und können“, erklärt Kocher-Lichem - eine Mammutaufgabe.
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