Brutale „Zwischenfälle“ an den Pflichtschulen häufen sich und die Täter werden immer jünger - doch wie soll man damit umgehen? Die „Krone“ hat sich bei Experten umgehört. Einfache Antworten gibt es aber nicht.
Ein elfjähriger Knirps, der eine Schulleiterin bei einem Streit zu Fall bringt, die sich dabei verletzt. Ein 13-Jähriger, der Autos stiehlt, sie zu Schrott fährt und in den sozialen Medien mit Waffen posiert. 14-Jährige, die Taxifahrer verprügeln und ausrauben. Es vergeht keine Woche, in der nicht von extrem jungen Tätern berichtet wird.
Gefahr im Verzug
Dazu steigt an den heimischen Pflichtschulen (bis 14 Jahre) die Zahl der gefährlichen Zwischenfälle stark an, wie eine Statistik der Bildungsdirektion zeigt. Im gesamten Schuljahr 2021/22 gab es insgesamt 328 Suspendierungen (bis maximal vier Wochen). Im heurigen Jahr gibt’s bis jetzt schon 310 Fälle. Suspendierungen gibt es dann, wenn Gefahr in Verzug ist. Die Gründe dafür sind laut Experten mannigfaltig. „Meist sehen diese Kinder keinen Sinn im Leben, haben eine schlechte oder gar keine Bindung zu den Eltern. Da staut sich Frust auf und der führt immer zu Gewalt“, sagt der Gewaltpädagoge Alexander Geyrhofer.
Wir bemerken schon eine Zunahme von Schülern mit psychischen Auffälligkeiten und Problemen.
Christa Wührer, Schulpsychologin
Zahl der psychischen Probleme steigt an
Auch beim Schulpsychologischen Dienst der Bildungsdirektion weiß man um die Problematik. „Wir bemerken schon eine Zunahme von Schülern mit psychischen Auffälligkeiten und Problemen“, sagt Christa Wöhrer. Deshalb würde man an den Schulen auch sehr intensiv an der Prävention arbeiten. „Wir werden aktiv, bevor es überhaupt zu einer Eskalation kommt und haben damit auch schon sehr gute Erfahrungen gemacht“, so Wöhrer.
Grund ist oft eine Form von sozialer Verwahrlosung der Kinder: Die Eltern sind selten da, die Familien zerrissen.
Michael Merl, Primar der Kinderpsychiatrie
Mehr Problemkids
Der Anstieg an „Problemkids“ macht sich auch auf der Kinder- und Jugendpsychiatrie im Kepler-Uniklinikum bemerkbar. Primar Michael Merl: „Die Fälle werden tendenziell mehr und die betroffenen Kinder jünger.“ Vor allem, wenn die Eltern wenig präsent sind, suchen junge Menschen Bestätigung in gleichaltrigen Gruppen. „Mutproben und Straftaten geben einen gewissen Kick“, so Merl.
Gefängnis keine Lösung
Aber was macht man, wenn es doch zu Gewalt oder anderen Delikten kommt? In Sachen Strafen hat Alexander Geyrhofer eine klare Meinung. „Welchen Sinn soll es haben, einen 13-Jährigen ins Gefängnis zu stecken?“, erteilt er Forderungen nach einer Herabsetzung der Strafmündigkeit eine Absage. „Man muss mit den Kindern arbeiten und ihnen helfen“, fordert er.
Mehr Sozialarbeit
Auch Sozialarbeiter an Schulen könnten präventiv wirken. Der Landtag hatte 2009 einen Ausbau von 50 auf 100 Planposten beschlossen. Umgesetzt ist das noch immer nicht, wie eine SP-Landtagsanfrage zeigt: Im aktuellen Schuljahr stehen 55 Schulsozialarbeiter für ganz Oberösterreich zur Verfügung. Rechnerisch kommen damit fast 2000 Schüler auf eine Sozialarbeiter-Vollzeitstelle.
Sinnvoller als Suspendierungen, die letztlich nur zu mehr Gewalt führen würden, ist für SPÖ-Bildungssprecherin Doris Margreiter „Prävention durch Schulsozialarbeit. Hier ist Bildungsreferentin Christine Haberlander säumig.“
„Krone“-OÖ-Kommentar: Der Schrei nach Liebe
„Deine Gewalt ist nur ein stummer Schrei nach Liebe“, hat die deutsche Punk-Band Die Ärzte schon 1993 gesungen. Und auch, wenn es in dem Lied um Neonazis ging, trifft die Textzeile die aktuelle Situation mit den vielen jugendlichen Straftätern, die noch zu jung sind, um strafmündig zu sein, sehr gut. Sie eint nämlich, dass sie aus schwierigen sozialen Verhältnisse kommen, das Geld knapp ist und sie zu viel Zeit haben. Das führt zu Frust. Und Frust führt fast schon zwangsläufig zu Gewalt. Das heißt aber auch, dass die Behörden schon viel früher aktiv werden müssten, damit es gar nicht zu Problemen kommt. Aber dafür fehlt möglicherweise das Geld oder der Wille.
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