Jene rund 80 Personen, die am Donnerstag in die ausverkaufte Rote Bar des Wiener Volkstheaters gekommen waren, durften sich wohl als das an diesem Abend bestbeschützte Theaterpublikum Wiens fühlen, denn die Anzahl der Securities vor und in dem Raum war ungewöhnlich hoch. Grund dafür war der erste öffentliche Auftritt von Julian Hessenthaler, dessen „Ibiza-Video“ mit Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus (beide einst FPÖ) die Republik erschütterte.
Zum Auftakt der etwas mehr als eineinhalb Stunden dauernden Veranstaltung, die über Stream von mehr als 1000 Zuschauern verfolgt worden sein soll, dankte Publizistik-Professor Fritz Hausjell in seiner Funktion als Präsident von Reporter ohne Grenzen (RSF) Österreich Hessenthaler für seine Initiative, mit der er durch eine „Kombination aus Mut und Intellekt“ Österreich vor Schlimmem bewahrt habe.
Hausjell warnte allerdings davor, dass man sich keine großen Hoffnungen machen solle, dass sich Österreich im nächsten Pressefreiheitsranking, das am 3. Mai veröffentlicht wird, verbessern werde: „Es hat sich einiges weiter verschlimmert.“ Ganz ähnlich Hessenthaler selbst: „Wir sind nicht so weit entfernt vom System Orban, wie wir uns wünschen würden!“
Der „Ibiza-Detektiv“, der seinen Beruf nicht als Detektiv, sondern als Sicherheitsberater beschrieb, unterhielt sich mit dem Journalisten Jean Peters von dem spendenfinanzierten Recherchezentrum „Correctiv“ und stellte sich auch Fragen des Publikums. Dabei ging es auch um Hintergründe und Umstände des 2017 gedrehten Videos, das den damaligen FPÖ-Chef und Vizekanzler und den seinerzeitigen FPÖ-Klubobmann in einer Villa auf Ibiza im Gespräch mit einer vermeintlichen Oligarchen-Nichte zeigte und in der Folge zu Rücktritten und Neuwahlen führte.
„Nicht so geschafft, wie es geplant war“
„Als ich das Video sah, war ich enttäuscht“, erzählte Hessenthaler, denn jene kompromittierenden und strafbaren Aussagen, die im Laufe des mehrstündigen Abends mehrfach gefallen seien, hätten sich dann nicht auf dem Video befunden. „Blöd reden ist nicht strafbar“, hätte sein Anwalt das Material beurteilt. „Wir haben es am Ende nicht so geschafft, wie es geplant war.“
Doch auch die Planung sei keineswegs so professionell gewesen, wie vielfach kolportiert. Dabei sei viel improvisiert worden. Er bedaure, dass die Planungsphase nicht ebenfalls auf Video festgehalten worden sei. „Ich glaube, das wäre das bessere Video geworden.“ Diese Aussage sorgte ebenso für einen der spärlichen Lacher dieses Abends wie der Verweis Peters‘, an der Finca seien aufgrund der Überwachungskameras ohnedies kleine Warnschilder mit „Vorsicht Video!“ angebracht gewesen, die Gäste hätten also annehmen dürfen, gefilmt zu werden. Hessenthaler zeigte sich erneut davon überzeugt davon, dass das Video legal zustande gekommen sei - nicht zuletzt, weil das spanische Recht dies erlaube. „Ich bezweifle stark, dass ein Prozess gegen mich mit einem Schuldspruch geendet hätte.“
Verurteilt wurde Hessenthaler auch nicht wegen des „Ibiza-Videos“, sondern wegen Kokainhandels sowie wegen Annahme, Weitergabe oder Besitzes falscher oder gefälschter besonders geschützter Urkunden und Urkundenfälschung - was den Wiener FPÖ-Klubobmann Maximilian Krauss dazu veranlasste, vor zwei Tagen gegen den Auftritt des „verurteilten Verbrechers Hessenthaler“ Protest einzulegen. Die Verhaftung im Dezember 2020 in Berlin, die U-Haft und der im März 2022 in St. Pölten verhandelte Prozess, bei dem Hessenthaler zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt worden war, bildete den zweiten Themenkomplex des Abends.
Vor zwei Wochen aus der Haft entlassen
Hessenthaler, der seit März zunächst mit Fußfessel wieder auf freiem Fuß war und laut „Correctiv“ am 7. April vorzeitig entlassen wurde, hat die ihm zu Last gelegten Delikte wiederholt bestritten und führte auch an diesem Abend ins Treffen, dass es keinerlei Sachbeweis und nur höchst zweifelhafte Zeugenaussagen gegen ihn gebe. Wen er für die Drahtzieher dieser Intrige, mit dem Ziel, ins Gefängnis zu bringen, halte, dürfe er nicht sagen, denn er sei auf Bewährung entlassen und müsse Aussagen vermeiden, die als Ehrenbeleidigung oder Verleumdung ausgelegt werden könnten.
Heftig kritisierte er dagegen den Umstand, dass es in Österreich keine zweite Instanz gebe, die eine erneute Beweiswürdigung und -überprüfung eines Schöffengerichtsurteils vornehme und der OGH bei seiner abgewiesenen Nichtigkeitsbeschwerde nur Formalia überprüft habe. Seine schon früher zynische Haltung gegenüber der österreichischen Justiz habe sich durch seine persönlichen Erfahrungen verstärkt: „Die österreichischen Ermittlungsbehörden sind in einer Art und Weise agierend, die in Wirklichkeit hart an der Rechtsstaatlichkeit kratzt.“
Langer Applaus vom Publikum
Vom Publikum wurde Hessenthaler mit langem Applaus bedacht und für seine Leistung um die österreichische politische Hygiene gewürdigt. „Ich habe für diese Leistung, wie sie es nennen, teuer bezahlt“, erwiderte er. Das hätten auch Bekannte und Freunde, die er involviert habe, ohne zu bedenken, welche Folgen das für diese haben könne. „Das ist etwas, was auf meinem Gewissen lastet.“ Er werde sich davon jedoch nicht abhalten lassen, sich auch künftig zu Wort zu melden.
Die nächsten Gelegenheiten dazu bieten sich schon bald. Am 4. Mai findet in der Roten Bar ein Abend mit der Initiative „Saubere Hände“ statt. In der angesetzten Diskussion soll es um die Folgen des Ibiza-Videos gehen, aber auch um die Frage, was aus dem im Vorjahr initiierten Antikorruptionsvolksbegehren geworden ist. Am 17. Mai schließlich wird Hessenthaler unter dem Motto „Der Ibiza-Jahrestag - Ein Blick über die Grenzen“ „mit Vertretern aus Politik, Medien und Justiz“ über die Geschichte des Videos und die Konsequenzen diskutieren.
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