Russischer Rückzug?

Ukrainische Truppen überqueren Dnipro bei Cherson

Ausland
23.04.2023 13:28

Ukrainischen Truppen ist es nach Analysen westlicher Experten offenbar gelungen, im teilweise befreiten Gebiet Cherson nun auch die bislang von russischen Besatzern kontrollierte linke Uferseite des Flusses Dnipro einzunehmen - erstmals seit Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine. Das würde auf einen Kontrollverlust der russischen Einheiten in der Region hinweisen.

Aus veröffentlichten Geodaten und Texten russischer Militärblogger gehe hervor, dass die ukrainischen Streitkräfte Positionen am linken oder Ostufer im Gebiet Cherson eingenommen hätten, teilte das US-Institut für Kriegsstudien (ISW) mit. Unklar seien aber das Ausmaß und die Ziele dieser erstmals so registrierten Erfolge der Ukrainer, heißt es.

Bei einer ukrainischen Offensive im Herbst hatten sich die russischen Militärs aus der Gebietshauptstadt Cherson und Teilen der Region komplett vom Westufer des Dnipro zurückgezogen. Ziel war es damals gewesen, einen Vorstoß der ukrainischen Truppen auf die andere Uferseite zu verhindern.

Hinweise auf russischen Kontrollverlust in der Gegend?
Die neue Entwicklung würde auf einen Kontrollverlust der russischen Einheiten in der Region hinweisen. Demnach könnten sich die russischen Besatzer nur noch auf Städte konzentrieren. Die ISW-Experten sehen unter Berufung auf russische Blogger, die das eigene Militär auch immer wieder kritisieren, bereits solide Versorgungslinien zu den Positionen der ukrainischen Streitkräfte.

Kiew hatte stets erklärt, alle von russischen Truppen besetzten Gebiete zu befreien. Vom Gebiet Cherson aus wäre bei einer Eroberung der Region der Weg für die ukrainische Armee frei zu der von Russland annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim.

Moskaus Statthalter dementiert ISW-Angaben
Russlands Statthalter in der Region Cherson, Wladimir Saldo, dementierte indes die Angaben des US-Thinktanks. Dem sei nicht so, schreibt er auf Telegram. „Unser Militär kontrolliert das Territorium vollständig.“ Es könne aber vorkommen, dass feindliche Sabotagegruppen anlanden und Selfies aufnähmen. Ein Sprecher des südukrainischen Militärkommandos wollte die Angaben des ISW weder bestätigen noch dementieren.

Verlustreiche Angriffe, aber kaum Gebietsgewinne
Die ISW-Experten gehen zudem davon aus, dass das russische Militär nicht durchdringt mit Empfehlungen zu Kremlchef Wladimir Putin, sich auf eine Verteidigung von Stellungen zu konzentrieren. Statt sich vor dem Hintergrund der geplanten ukrainischen Großoffensive auf das Sammeln von Kräften zu konzentrieren, gebe es immer wieder verlustreiche Angriffe, die kaum Gebietsgewinne brächten, hieß es.

„Dass weiter auf russischen Offensiven im Osten der Ukraine bestanden wird, lässt darauf schließen, dass jene Gruppe, die den Krieg entlang der aktuellen Frontlinien einfrieren will, Putin nicht vollends von ihrer Sichtweise überzeugt hat“, hieß es in der Analyse.

Die ISW-Experten vermuten, dass das Verteidigungsministerium in Moskau sich zuletzt auch deshalb immer wieder offen mit dem Chef der russischen Privatarmee Gruppe Wagner arrangierte, um über ihn zu Putin vorzudringen. Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin gilt als enger Vertrauter Putins - und als Mann offener Worte.

Moskau vermeldet Bodengewinne in Bachmut
Indes vermeldete das Verteidigungsministerium in Moskau, dass russische Einheiten bei ihrem Versuch vorankämen, die ostukrainische Stadt Bachmut vollständig zu erobern. Demnach nahmen sie zwei weitere Straßenblöcke im Westen der seit Monaten schwer umkämpften Stadt ein. Luftlandeeinheiten würden zudem im Norden und Süden Verstärkung leisten, hieß es.

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