Callgirlmord-Prozess

„Er glaubte beim Sex, dass das Opfer noch lebte“

Oberösterreich
24.04.2023 12:21

Tag 1 im Prozess um den brutalen Tod von Anamaria D. (23), der sich vor genau sieben Monaten in Ternberg (OÖ) ereignet hatte. Staatsanwalt Wilfried Kondert beschreibt die Tat des Beschuldigten als „kaum überbietbare Grausamkeit“ und auch die Schändung der Leiche. Anwalt Andreas Mauhart verteidigte seinen Mandanten: Der Verdächtige habe geglaubt, dass das Opfer bei der Schändung noch gelebt hätte.

Mit gesenktem Kopf lauschte der Angeklagte (35) dem Vortrag des Staatsanwalts, der darlegte, wie Alexander M. am Tag der Tat nach einem Freudenmädchen suchte, dann für 400 Euro das Opfer Anamaria D. buchte. Als sie zu ihm kam und er ihr eröffnete, dass er kein Geld hätte, habe sie zum Handy gegriffen und ihn angeschrien.

„Da begann er auf sie einzuschlagen“, berichtet der Staatsanwalt und beschreibt, dass auch Strangulationsspuren am Hals des Opfers durch ein Seil gefunden wurden. Der Ankläger spricht von „exzessiver Gewalt“ und beschreibt dann noch, wie das tote Opfer entkleidet, gefesselt und geschändet - „eine Brustwarze wurde fast abgebissen“ - wurde. 

Verurteilung wegen Mordes wurde gefordert
Der Staatsanwalt spricht auch von „Frauenhass“, der massive Alkoholkonsum sei nicht relevant und auch Drogen konnten nicht festgestellt werden. „Die Chats waren frei von Rechtschreibfehlern“, erklärt der Staatsanwalt, der eine Verurteilung wegen Mordes fordert. Verteidiger Andreas Mauhart hält dagegen fest, dass es keine Tötungsabsicht gab und holte weit in die Vergangenheit des Mandanten aus, der mit 17 Vater geworden war. Die Beziehung zerbrach, der Bezug zur Tochter ist sehr stark, doch zur Ex-Partnerin entwickelte sich Hass. „Mein Mandant frisst Kränkungen hinein, explodiert dann wie ein kaputter Kelomat“, beschreibt er den Logistik-Mitarbeiter.

Durch Zufall zum unschuldigen Opfer geworden
Die Prostituierte sei durch Zufall zum unschuldigen Opfer geworden, weil sein Mandant eben in diesem Moment da war, sie das letzte Quäntchen nachlegte und ihn nach „oben drehte“, als sie ihn beschimpfte. Das wurde ihm zu viel, und er drehte durch. „Er prügelte wie ein Irrer auf sie ein, würgte sie - und irgendwann war sie still.“

„Er glaubte nicht, dass sie tot war“, sagte Mauhart - sein Mandant habe das Opfer nämlich noch gefesselt und geknebelt, „damit sie, wenn sie aufwacht, nicht wieder schreien kann“. Und als er mit ihr den Geschlechtsverkehr vollzog, habe er auch geglaubt, sie sei „nur bewusstlos“.

Nur beim Kontakt zur Tochter nüchtern gewesen
Während seiner Einvernahme durch Richterin Dagmar Geroldinger berichtet der Angeklagte, dass er seit Jahren „fast alles nur angesoffen“ machte. Nur bei der Arbeit und beim Kontakt zur Tochter sei er nüchtern gewesen. Vier bis sechs Bier jeden Tag, wenn keine Arbeit war, mehr.

Tattag sei für Beschuldigten „schwer zuordenbar“
Der Tattag sei für den Verdächtigen „schwer zuordenbar“, vor allem, wann er genau aufgestanden sei, ob er nur Bier getrunken oder doch auch Psycho-Pilze genommen habe. Als die Prostituierte kam, habe er etwa 20 Bier intus gehabt, aber „das war nichts Besonderes“. Er konnte sich in diesem Zustand auch noch um seine acht Vogelspinnen und zwei Katzen kümmern. Und, dass er auf Englisch mit den Prostituierten chatten konnte und über seine Sex-Vorlieben verhandelte, sei auch noch möglich gewesen, „es dauerte nur etwas länger“. Dass er Anamaria die falsche Adresse schickte, sei aber keine Absicht gewesen.

„Hab ein Bild vor mir, wie ich in ihr verbissen war“
Bei der Vernehmung berichtet der Angeklagte, dass er sie im Streit, der wegen des fehlenden Geldes ausgebrochen war, geschlagen und gewürgt hätte. Warum: Er soll Angst vor dem Zuhälter gehabt haben. Er fürchtete, er sei ein „Riesenvieh, das ihn fertigmachen würde“. Sie schlug zurück, und es „eskalierte völlig“. „Ich hab´ ihren Tod nicht mitgekriegt“, weinte er. Nach dem Schlagen und Würgen sei die Erinnerung nur noch teilweise vorhanden. „Sie lag nackt am Bett, die Hände auf den Rücken gefesselt. Ich war über ihr“, berichtet er von einer Erinnerung. Das verwendete Seil war übrigens vom Kratzbaum der Katzen. Auch ein Erinnerungsstück ist, dass er in ihr „verbissen war“, da hat er aber nur ihre Haut vor Augen. „Warum diese Bisse?“, fragte die Richterin. „Ich kann es mir nicht erklären“, sagt der Angeklagte.

Antrag für Einweisung stünde nicht im Raum
Es geht bei dem Prozess nun darum, ob die Tat Mord oder Totschlag war. Denn mit Mord ist das Strafmaß zehn bis 20 Jahre Haft oder „Lebenslang“. Bei einer Verurteilung wegen Totschlags sinkt das Strafmaß auf fünf bis zehn Jahre Haft. „Ein Antrag für eine Einweisung steht nicht im Raum“, sagt Gerichtssprecherin Christina Forstner, denn dem Angeklagten wurde zur Tatzeit von Psychiaterin Adelheid Kastner die Zurechnungsfähigkeit attestiert. Sie wird ihr Gutachten aber erst am zweiten Verhandlungstag am Mittwoch erörtern.

Ob die behaupteten 26 Halbe Bier, die Alexander M. (35) zur Tatzeit intus gehabt haben will, relevant sind, wird sich zeigen. Auch am zweiten Verhandlungstag wird Toxikologe Thomas Keller zu Wort kommen. Am ersten Verhandlungstag sind neben dem Angeklagten und einem Zeugen, auch der Zahnarzt Peter Schuller-Götzburg - er hat die Bisse auf der Leiche der illegalen Prostituierten, die sich der Angeklagte von Linz nach Ternberg bestellt hatte, analysiert -, der Leiter der Gerichtsmedizin, Fabio Monticelli und der Molekularbiologe Franz Neuhuber am Wort.

Auch Störung der Totenruhe vorgeworfen
„Es war klassische Körperverletzung mit Todesfolge oder sogar eine Notwehrsituation, weil er Angst vor dem Zuhälter hatte, oder ein Totschlag, weil es im Affekt passierte“, sagt Andreas Mauhart. Neben dem Vorwurf des Mordes wird dem Angeklagten auch Störung der Totenruhe zur Last gelegt - juristisch ein Nebenschauplatz, weil maximal mit drei Monaten Haft oder 180 Tagessätzen Geldbuße zu bestrafen. Aber das Delikt wird dennoch eine wichtige Rolle spielen, weil die Übergriffe auf den Leichnam der am eigenen Erbrochenen erstickten Prostituierten ein Sittenbild auf den Angeklagten werfen. Für ihn gilt bis zum rechtskräftigen Urteil die Unschuldsvermutung.

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