Wie lang ist lebenslang? Dazu haben zwei Forscher der Johannes Kepler Universität Linz (JKU) in einer Studie herausgefunden, dass durchschnittlich 21 Jahre lang im Gefängnis sitzt, wer in Österreich eine lebenslange Haftstrafe verbüßen muss.
Bei der Entscheidung des Gerichts über die bedingte Entlassung komme Staatsanwaltschaften ein sehr großer Einfluss zu im Vergleich zu Stellungnahmen aus Justizanstalten und Sachverständigengutachten, kritisierten die Studienautoren.
Strafrechtler Alois Birklbauer und Prozessrechtler Helmut Hirtenlehner haben 140 Akten zu lebenslanger Haft Verurteilter untersucht. 96 Prozent der Urteile betrafen Männer, 99 Prozent Mord, berichtete die JKU am Dienstag. Derzeit sitzen in Österreich rund 150 Gefangene lebenslang, jährlich werden ungefähr zehn Personen zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.
„Ab 15 Jahren Entlassung möglich“
„Ab einer Verbüßungsdauer von 15 Jahren ist eine bedingte Entlassung möglich“, verweist Birklbauer auf das Strafgesetzbuch. Zu diesem Zeitpunkt muss die Behörde eine Entlassung prüfen, später kann auch der Gefangene Anträge stellen. „Wird das genehmigt, folgt eine Probezeit von zehn Jahren. Es kann auch zusätzliche Auflagen geben, z.B. Alkoholverbot oder verpflichtende Psychotherapie“, erklärt Hirtenlehner.
Im Schnitt kamen auf eine Person aus den 140 Akten fünf Entlassungsverfahren, sodass insgesamt rund 700 gerichtliche Entscheidungen untersucht wurden. Die Daten seien bereinigt, etwa um in Haft Verstorbene und ins Ausland Verbrachte. „Die höchsten Chancen freizukommen hat man zwischen dem 17. und dem 23. Inhaftierungsjahr“, erläutert Hirtenlehner. Seltener bzw. später entlassen werden verurteilte Sexualmörder und Gefangene, die vor der gegenwärtigen Haft schon andere (zeitlich begrenzte) Freiheitsstrafen verbüßt haben.
Insgesamt könnte man überlegen, bei positiver Zukunftsprognose vermehrt vorzeitig zu entlassen, zumal Österreich im europäischen Vergleich ohnehin sehr hohe Gefangenenraten aufweist.
Die beiden JKU-Professoren
Chancen stehen bei 20 Prozent
Die Chancen, dass das Gericht eine Entlassung bewilligt, stehen bei rund 20 Prozent. (Zu) großen Einfluss auf das Ergebnis hat nach Ansicht der Studienautoren die Staatsanwaltschaft, weil sie gegen bedingte Entlassungen Rechtsmittel einlegen kann, - vor allem im Vergleich zu Stellungnahmen der Justizanstalten und aktuellen Sachverständigengutachten. Seit einer Änderung 2008 habe sich das Gericht bei einer bedingten Entlassung nur an der Spezialprävention zu orientieren, die Generalprävention sei kein Kriterium mehr erklärte Hirtenlehner. Die Leitung der Justizanstalt, wo die Person, um die es geht, die vergangenen 15 Jahre verbracht habe, und auch aktuelle Gutachten könnten dazu eine treffendere Auskunft geben als eine Staatsanwaltschaft.
Aktuelle psychiatrische oder psychologische Sachverständigengutachten würden aber zu selten - nicht einmal in der Hälfte der Fälle - eingeholt, wobei sie im Fall großen Einfluss auf die gerichtliche Beschlussfassung ausüben. „Insgesamt könnte man überlegen, bei positiver Zukunftsprognose vermehrt vorzeitig zu entlassen, zumal Österreich im europäischen Vergleich ohnehin sehr hohe Gefangenenraten aufweist. Die Rückfallraten von wegen Tötungsdelikten zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilten Personen werden im kriminologischen Schrifttum als vergleichsweise gering angegeben“, so Birklbauer und Hirtenlehner.
Rechtsbeistand hilfreich
Lediglich zehn Prozent der Gefangenen waren im Entlassungsverfahren anwaltlich vertreten. Wenn „Lebenslange“ einen Rechtsbeistand haben, erhöht dies die Wahrscheinlichkeit der Einholung aktueller Sachverständigengutachten, die dann aber mehrheitlich ungünstig für die beurteilten Gefangenen ausfallen. Diese Dynamik bewirkt, dass anwaltliche Hilfe keine entlassungsförderlichen Effekte hat, lautete die Erklärung dafür.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.