Rad-Profi Marco Haller

„Warum kann Alaba bei Real so gefeiert werden?“

Es ist ein altes Thema im Radsport, doch für Neueinsteiger oder jüngere Fans mitunter noch ein Rätsel: Warum quälen sich sogenannte „Helfer“ bei den Großen Touren über tausende Kilometer mit viel Schweiß, Muskelkraft und manchmal bis aufs Blut, versorgen die Kapitäne mit Wasser, Snacks oder gar dem eigenen Rad und am Ende sind die großen Stars die Sieger? Die Bora-Profis Marco Haller und Patrick Gamper erklären diesen scheinbaren Widerspruch im Gespräch und ziehen Vergleiche mit David Alaba.

Der 31-jährige Haller sieht in der Berichterstattung über den Radsport gar fast eine Unart der heimischen Presse. „Warum kann ein David Alaba in einer Links-Außen-Position oder Innenverteidigung bei Real so gefeiert werden, der schießt ja in der Champions League auch nicht jede Woche Tore? Aber wenn der Haller sieben Mal die Tour de France fährt, sagt man, warum, der hat ja noch nie eine Etappe gewonnen.“ Der letztjährige Sieger des cyclassics in Hamburg aus Kärnten vergleicht seinen Sport gerne mit Fußball. „Wie die Fußball-Mannschaft braucht auch die Radsport-Mannschaft Verteidiger und Mittelfeldspieler - und ich bin eben einer davon.“

(Bild: GEPA pictures)

Alaba-Vergleiche
Während man einen Alaba wie auch jeden Verteidiger oder Mittelfeldspieler im Fußball eben 90 Minuten sehen kann, sagt die Platzierung eines im TV auch oft nicht sichtbaren Radprofis hingegen mitunter überhaupt nichts über dessen Leistung aus. „Das ist ein Grundsatzproblem des Radsports, wir haben das Stadion als solches nicht.“ Dass die Aufbereitung des Radsports eine Herausforderung sei, versteht Haller. „Die Ur-Nationen wie Belgien verstehen es aber auch.“

Sein knapp sechs Jahre jüngerer Landsmann Gamper sieht sich ebenfalls in einer anhaltenden Helfer-Rolle. „Grundsätzlich ist es so, dass jeder, der Profi ist, das Ziel hat, Rennen zu gewinnen - egal, ob Helfer oder Kapitän. Aber es ist eben auch so, dass man frühzeitig erkennen muss, wo man seine Stärken und das beste Talent hat“, erklärt Gamper. In seinem Fall sehe er sich ganz klar als Helfer. „In den nächsten Jahren will ich mich dahin entwickeln, einfach ein Weltklasse-Helfer zu sein und ich will mich in der Position stärken.“

(Bild: APA/HERBERT NEUBAUER)

„Da wird man genauso gebraucht“
Auch damit könne man sich einen Namen machen. „Da wird man genauso gebraucht. Und es ist nichts, wo man sagt, man begnügt sich damit, sondern es ist ein bisserl eine andere Zielsetzung.“ Dass die großen Lorbeeren dann andere einheimsen, sei zu Beginn „ein bisserl Gewöhnung“ gewesen, gesteht Gamper. „Man hat sicher nicht so viele Schulterklopfer und Interviews wie der Kapitän. Aber es ist im Radsport einfach so, dass es viel mehr Teamsport ist als es danach ausschaut. Die Kapitäne wissen ganz genau, was sie an einem Helfer haben. Teams suchen ganz gezielt nach guten Helfern.“

Man gehe einfach mit der Einstellung in die Etappe, als Team das Rennen zu gewinnen. „Natürlich wird für den Kapitän gefahren. Das große Ziel ist, dass der das Rennen gewinnt. Da fällt es leichter, dass man sich da ein bisserl aufopfert.“

„Das geht einfach hinten und vorne nicht zusammen“
Weder Haller noch Gamper werden beim am 6. Mai beginnenden Giro d‘Italia im Gegensatz zu Landsmann Patrick Konrad dabei sein. „Aufgrund meiner Periodisierung der Saison ist der Giro immer sehr schwierig in einer guten Form anzupeilen, weil die Frühjahrsklassiker von meiner Seite immer ein großes Augenmerk bekommen haben“, stellt Haller fest. „Die enden Mitte April, der Giro startet Anfang Mai schon wieder. Das geht einfach hinten und vorne nicht zusammen. Man braucht die nötige Ruhephase, um neu aufzubauen.“

Darum sei die Tour de France ein logischerer Punkt für ihn, so Haller. „Aber es steht nach wie vor ein großes Fragezeichen auch bei der Tour, einfach weil der interne Konkurrenzkampf um die begehrten acht Tickets bei der Großen Schleife in Frankreich zu groß ist.“

Patrick Konrad (Bild: GEPA )
Patrick Konrad

„Potenzial, dass viel Schlimmeres passiert, da“
Mitfreuen kann sich Haller durchaus auch für die Konkurrenz, wenn ein Österreicher ganz oben steht wie zuletzt Gregor Mühlberger (Movistar, bis 2020 auch bei Bora/Anm.) als Etappensieger bei der Tour of the Alps. „Dafür ist die Radsportwelt viel zu klein, dass wir da nur Neider und Gegner hätten. Ich kann einschätzen, durch was der Gregor gegangen ist, weil der hat auch ein paar Rückschläge gehabt in den vergangenen Jahren. Ich habe selbst einen schweren Unfall gehabt 2018. Da wieder zurückzukommen ist sicher eine Extra-Challenge und wenn man das erfolgreich macht, freut man sich schon.“

Haller hatte im April 2018 nach einer Kollision mit einem Pkw u.a. einen offenen Kniescheibenbruch erlitten und den Rest des Jahres verpasst. „Es ist ein extrem gefährlicher Sport. Das Potenzial, dass da noch viel Schlimmeres passiert, ist ja eigentlich da. Auf Holz geklopft passiert eh relativ wenig. Aber nur weil es jetzt sehr oft glimpflich ausgegangen ist, heißt nicht, dass man eh zufrieden sein kann“, sagt Haller. Veranstalter und Weltverband sollen weiterkämpfen, den Radsport sicherer zu machen, fordert er.

Gregor Mühlberger (Bild: GEPA pictures)
Gregor Mühlberger

„Werden schon recht gut entlohnt“
Haller denkt an seinen legendären engeren Landsmann Franz Klammer zurück. Dieser habe kein A-, B- und C-Netz gehabt, das ihn auffängt, und sei „einfach so runtergedonnert“. „Es wäre schon sehr stupide, wenn wir da auch in der Steinzeit sitzen bleiben würden.“

Gamper steht auf der Longlist für die Große Schleife und darf sich zarte Hoffnungen auf seine erste Tour de France machen. Mit bisher drei Grands Tours (zwei Giro, einmal Vuelta) ist aber auch er schon etabliert genug, um sich gut von seinem Sport ernähren zu können. „Wenn man mal die World Tour fährt, dann verdient man schon, würde ich sagen, weit über dem österreichischen Durchschnitt. Da muss man auf keinen Fall Hunger leiden, wir werden schon recht gut entlohnt.“ Helfer, ergänzt er, verdienen natürlich weniger als Kapitäne, dafür habe man auch weniger Druck und Erwartungen zu tragen.

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(Bild: KMM)



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