200 Firmen bestreikt

Metaller: “Helden der Fabrik” auf den Barrikaden

Österreich
15.10.2011 14:21
Die Metaller haben in ihrem Arbeitskampf einen Gang höher geschaltet: Nachdem am Donnerstag bereits in 150 Unternehmen Warnstreiks und Betriebsversammlungen abgehalten worden waren, fanden am Freitag in einigen von gleich 200 bestreikten Betrieben auch Vollstreiks statt. Mehr als 100.000 Metaller waren im Ausstand, betroffen waren alle Bundesländer. Sollten sich die Arbeitgeber am Wochenende nicht bewegen, werde ab Montag "unbefristet" gestreikt.

Bei der Voestalpine in Linz etwa, wo die Stimmung unter den "Helden der Fabrik" laut Gewerkschaft am Freitag "bombig" war, standen die Hochöfen still. Zusätzlich wurde die Werkseinfahrt blockiert, die anderen Beschäftigten mussten längere Staus hinnehmen, zeigten aber Verständnis dafür. "5,5 - die Metaller fordern 5,5 Prozent mehr Lohn" stand auf einer Baggerschaufel. "Wir kämpfen für unseren Kollektivvertrag!", war auf einem Transparent zu lesen, das die Protestierenden an einem Zugwaggon angebracht hatten.

Es werde nicht ordentlich verhandelt, kritisierte Konzernbetriebsrats-Vorsitzender Hans-Karl Schaller. "Wir sind nicht die Rotzbuben von Arbeitgeber-Chefverhandler Christoph Hinteregger. Die 'Helden der Fabrik' machen einen tollen Job und wollen sich nicht mit drei Prozent abspeisen lassen." Der Zuspruch der übrigen Belegschaft sei groß - sollte es keine Einigung geben, "geht alles nieder". "Die Maßnahmen werden dann verschärft."

Auch die krone.at-User halten den Streik für gerechtfertigt. In einer Blitzumfrage sprach sich eine überwältigende Mehrheit von 83,5 Prozent - das sind fünf Sechstel der Teilnehmer - für den Arbeitskampf aus (siehe Infobox).

Auch MAN, Magna und BMW betroffen
Bestreikt wurden am Freitag neben der Voestalpine unter anderem auch MAN, Magna, BMW, Andritz, Böhler, Kone, Schindler, Mahle, Bosch, ThyssenKrupp und Pewag. Insgesamt standen 200 Betriebe still, über 100.000 Metaller waren im Ausstand. Von den Streiks waren alle Bundesländer betroffen, Kärnten sogar flächendeckend.

"Das Ganze wird eine Streikbewegung"
GPA-Verhandler Karl Proyer gab sich zu Mittag erfreut: "Die Solidarität mit den Beschäftigten der Metallindustrie ist riesig. Es gibt eine Welle von Zustimmung. Es kommen stündlich neue Betriebe dazu, die sich dem Streik anschließen. Die Menschen haben erkannt, dass es so nicht weitergehen kann. Das Ganze wird eine Streikbewegung." Als Fallbeispiel hob Proyer den zu Mittag begonnenen Vollstreik bei Böhler Edelstahl hervor, an dem allein rund 2.300 Beschäftigte teilnahmen.

Die Produktionsgewerkschaft Pro-Ge verschärfte am Freitag den Ton und warf einigen Industriellen vor, die streikenden Mitarbeiter unter Druck zu setzen: "Es wird vorgegaukelt, über die Rechtslage bei einem Streik zu informieren. Tatsächlich werden die Beschäftigten aber mit der Abmeldung von der Gebietskrankenkasse, mit Verlust des Anspruches der Arbeitslosenunterstützung und dem Verlust des Arbeitsplatzes bedroht." Sie forderte die Arbeitgeberseite auf, diese "niveaulosen Einschüchterungsversuche" einzustellen. Und sie stellte klar: "Streiks stellen niemals einen Kündigungs- oder Entlassungsgrund dar."

"Unbefristete Kampfmaßnahmen" möglich
Laut Pro-Ge-Chefverhandler Rainer Wimmer bleibe das Wochenende streikfrei - "damit die Arbeitgeber eine Nachdenkpause haben". Sollte die Industrie aber nicht bereit sein, die Verhandlungen am Samstag oder am Sonntag wieder aufzunehmen, werde ab Montag weitergestreikt - und das möglicherweise gleich mit "unbefristeten Kampfmaßnahmen", warnte Wimmer. Denn das seien die Arbeitnehmervertreter den 165.000 Metallbeschäftigten und ihren Familien schuldig. "Wenn es am Wochenende zu keiner Weiterentwicklung kommt, machen wir am Montag ernst."

"Mit Streiks voll ins Schwarze getroffen"
Bereits am Donnerstag hatte Wimmer betont, dass man mit den Kampfmaßnahmen "voll ins Schwarze getroffen" habe. Die Stimmung in den Betrieben sei gut, stündlich hätten sich mehr Unternehmen an den Aktionen beteiligt. Die Forderung der Metaller nach 5,5 Prozent mehr Lohn begründete Wimmer erneut mit den guten Unternehmensergebnissen der vergangenen 16 Monate. "Die Gehälter der Manager wurden stark erhöht, 90 Prozent der Gewinne wurden ausgeschüttet. Davon wollen die Beschäftigen auch etwas haben", so Wimmer. Das letzte Angebot der Arbeitgeber von 3,65 Prozent plus einer Einmalzahlung von 200 Euro wurde von der Gewerkschaft abgelehnt - denn das bringe netto lediglich 40 Euro. "Alles, was unter 4,5 Prozent ist, ist nicht akzeptabel." 

Industrie: Angebot der "Spitzenklasse"
Die Industrie hingegen meint, den Metallern sehr weit entgegengekommen zu sein. Sie hatte Wimmer und Proyer ein Stufenangebot vorgelegt, das im Schnitt auf eine prozentuelle Erhöhung von 3,65 Prozent hinausgelaufen wäre - plus der schon zuvor angebotenen Einmalzahlung von 200 Euro. Die untersten Einkommensschichten hätten laut Industrie-Chefverhandler Hinteregger 3,8 Prozent mehr Lohn bekommen sollen, die mittleren Einkommen 3,6 und die Besserverdiener 3,4 Prozent. Dies würde für die Geringverdiener durch die Einmalzahlung ein Gehaltsplus von 4,37 Prozent bedeuten. Der Mindestlohn der Metaller liegt derzeit bei 1.515 Euro brutto, er würde dann in etwa 1.580 Euro betragen. Hinteregger bezeichnete das Arbeitgeber-Angebot am Donnerstag als Angebot der "Spitzenklasse".

Letzter Streik der Metaller vor 25 Jahren
Die Metaller haben zwar immer wieder mit Streiks gedroht, dieses Mittel des Arbeitskampfs allerdings nur selten eingesetzt. Zuletzt wurde vor 25 Jahren, nämlich im November 1986, zur Unterstützung der Forderungen bei Kollektivvertragsverhandlungen die Arbeit niedergelegt. Davor streikten die Metallarbeiter im Mai 1962. Damals waren österreichweit rund 200.000 Beschäftigte vier Tage lang im Ausstand, die Arbeitsniederlegung war erfolgreich. Seit 1986 hat es punktuelle Protestaktionen gegeben, aber nie einen branchenweiten Metallerstreik zur Unterstützung der Forderungen in den KV-Gesprächen. Die Lohnabschlüsse in der Metallindustrie gelten als richtungsweisend für die gesamte Herbstlohnrunde, wobei der Metaller-Kollektivvertrag an der obersten Bandbreite der Abschlüsse liegt.

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