Innerhalb von 15 Jahren ist in Wien viel alte Bausubstanz verschwunden. Teils wunderschöne Gründerhäuser unter Denkmalschutz wurden dem Erdboden glatt gemacht. Die Abriss-Spekulation schadet Mietern, Klima und Stadtbild. Die Stadt setzt auf Aktion scharf. Die Grünen wollen eine noch härtere Gangart.
Wien sagt, wie berichtet, Immo-Haien den Kampf an. Mit „Razzien“, Hilfetelefon (4000-4001), demnächst kommt ein „Pickerl“ für Altbauten. Alles gut und wichtig, aber reicht das? Innerhalb von 15 Jahren sind fast 500 Zinshäuser zerstört worden. Manche waren reich verziert und unter Schutz, anderen vielleicht keine Augenweide.
Fakt ist: Sie mussten weg. Nicht weil sie statisch schlecht waren, sondern weil ein Investor das große Geld witterte. Mieter mit guten Verträgen wurden rausgeekelt, das Haus Wind und Wetter überlassen. Bis es - leider - „unrettbar“ verloren war. Platz für einen lukrativen Betonklotz.
Abriss-Spekulation ist ganz einfach Wohnraub. Die Stadtregierung muss dieser Praxis einen Riegel vorschieben.
Judith Pühringer, Parteivorsitzene der Wiener Grünen
Bild: APA/Grüne Wien/Norbert Novak
Die Grünen wollen den Passus „wirtschaftliche Abruchreife“ abschaffen. Und: Nicht mehr der Bauwerber, sondern die Stadt soll das Gutachten über den Gebäudezustand erbringen (auf Kosten des Bauwerbers. Zudem soll, geht es nach der Öko-Partei, der Altbauerhaltungsfonds aufgestockt und durch einen Kreislaufwirtschaftsfonds ergänzt werden. In bestimmten Fällen soll der Fonds einen Deckelungsfehlbetrag übernehmen, um einen Abbruch aus wirtschaftlichen Gründen zu verhindern.
Die Praxis, dass Spekulanten auf Basis von Gutachten, die sie selbst in Aufrag geben, zu Abrissbewilligungen kommen, macht den Bock zum Gärtner. Das gehört sofort abgestellt.
Georg Prack, Grüner Wohnbausprecher
Bild: Karo Pernegger
Denn allein im Vorjahr hat Wien den Abbruch von 30 Altbauten bewilligt, wie aus einer Anfragebeantwortung aus dem Rathaus hervorgeht. Bei 35 Ansuchen. Also nur fünf wurden abgelehnt. Welche Adressen betroffen sind zeigt nachfolgende Grafik.
2021 wurden 34 Abrisse bewilligt, bei 47 Ansuchen, 2020 waren es deutlich weniger (16), 2019 ebenso (19). Von 2007 bis 2019 ist die Zahl der Wiener Zinshäuser von etwas mehr als 17.800 auf knapp über 15.712 gesunken.
Der überwiegende Teil des Rückgangs (81,5 %) ist auf Parifizierung (also Verkauf der Wohnungen ins Eigentum) zurückzuführen.
Der andere Teil wurde dem Erdboden gleich gemacht und ist (sofern es sich um Baujuwele gehandelt hat) für immer verloren.
Abriss-Spekulation ist aus 3 Gründen problematisch:
+ Schlecht fürs leistbare Wohnen: Teure Eigentumsobjekte ersetzen günstige Altbau-Wohnungen, die dem vollen Schutz des Mietrechtsgesetzt unterliegen.
+ Schlecht fürs Stadtbild: Schützenswerte Baujuwele gehen für immer verloren.
+ Schlecht fürs Klima: Abtrag und Neubau verursachen besonders viele Treibhausgasemissionen.
Bedeutet: Abriss soll die absolute Ausnahme bleiben.
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