Zünglein an der Waage?
So greift Datenkrake Palantir in Ukraine-Krieg ein
Was klingt wie absolute Zukunftsmusik, könnte bereits Realität sein - Künstliche Intelligenz (KI) im Krieg. Der umstrittene US-Softwareriese Palantir soll bereits in der Ukraine bei der Abwehr der russischen Angriffe im Einsatz sein. In der Entscheidung, ob die Ukraine letztendlich die Oberhand behält oder doch in eine militärische Niederlage schlittert, könnte die Software dabei das Zünglein an der Waage sein.
Die Effektivität der kleinen Ukraine gegen das vermeintlich übermächtige Russland überraschte sogar so manche Militäranalysten. Ein Grund, warum der Angriffskrieg weitgehend zum Stillstand gekommen ist, und Kiew sogar Gebiete zurückerobern kann, könnte dabei im Einsatz der Technologie aus den USA liegen. Mithilfe des Unternehmens Palantir sollen Daten nämlich schneller und effektiver analysiert werden können, wenn es darum geht, militärische Entscheidungen zu treffen.
Der Einsatz der Künstlichen Intelligenz ist dabei auch gar kein Geheimnis. Erst im Februar bestätigte der stellvertretende ukrainische Ministerpräsident Mychajlo Fedorow die Zusammenarbeit mit dem US-Softwareunternehmen - laut Medienberichten erhält die Ukraine die Software „Meta-Constellation“ kostenlos zur Verfügung gestellt. Palantir eröffnete auch bereits ein eigenes Büro in Kiew.
KI weist auf feindliche Aktivitäten hin
Im Kriegseinsatz werden Daten wie Satelliten- und Wärmebilder, Videos von Überwachungskameras oder Nachrichtendienstberichte gesammelt, um militärische Entscheidungen zu treffen. Die Palantir-Software kann dabei helfen, diese Daten schnell zu analysieren und in einem übersichtlichen Format bereitzustellen. So können beispielsweise Muster erkannt werden, die auf feindliche Aktivitäten hinweisen, oder Vorhersagen über zukünftige Entwicklungen getroffen werden.
In der Ukraine kommt die Software laut Fedorow zum Beispiel zum Einsatz, „um der Armee genauere und detailliertere Zielinformationen zu liefern.“ So könne man Operationen intelligenter planen, habe weniger Opfer auf dem Schlachtfeld zu betrauern und könne den Feind viel präziser treffen. „Die wichtigsten Waffen sind nicht Panzer oder Artilleriesysteme, sondern Daten und Technologie - das sind Werkzeuge, die den Verlauf des Krieges verändern“, so der ukrainische Ministerpräsident.
Video offenbart technische Möglichkeiten
Palantir strebt mit seiner Entwicklung das große Geschäft an - so konnte man seine Überwachungsdienste bereits an die US-Einwanderungs- und Zollbehörde verkaufen und will mit dem militärischen Know-how auch im Pentagon Fuß fassen. Erst am Dienstag veröffentlichte das Unternehmen ein Video seines neuesten Angebots, der Palantir Artificial Intelligence Platform (AIP). Darin wird gezeigt, wie das System auf dem modernen Schlachtfeld angewendet werden kann.
Ein Militärangehöriger entdeckt dabei feindliche Kräfte und bittet den digitalen Assistenten im Stile von ChatGPT um Hilfe bei der Entsendung von Aufklärungsdrohnen und der Ausarbeitung einer entsprechenden Taktik. Die KI entsendet unmittelbar darauf eine Drohne vom Typ „Reaper“ auf eine Aufklärungsmission, fertigt bessere Bilder an und schlägt auf Basis dieser eine Reaktion vor, wenn etwa ein gepanzertes Fahrzeug entdeckt wird.
KI soll nicht selbst entscheiden
Das System arbeitet dabei ähnlich wie eine Gesichtserkennungssoftware. Mit nur einem Klick erhalten Soldaten sogar die genauen Zielkoordinaten und auch Geschütze oder Drohnen können ausgewählt werden, um das gerade entdeckte Ziel anzugreifen.
Das KI-System soll dabei von Einsatz zu Einsatz zuverlässiger werden. Wie das Unternehmen erklärt, werden die Ergebnisse der Einsätze ins Netz eingespeist, um die Vorhersagemodelle der Software weiter zu optimieren. Das Unternehmen betont, dass die KI nicht eigenständig handelt - es gebe schließlich einen „Menschen in der Schleife“, der dann die tatsächlichen Entscheidungen treffe. Im Video selbst folgt dieser allerdings sämtlichen Vorschlägen - ein menschlicher Einfluss ist dabei kaum zu erkennen.
Die umstrittene US-Datenkrake Palantir
Das vom Milliardär Peter Thiel gegründete Softwareunternehmen Palantir steht nicht nur aufgrund seiner Zusammenarbeit mit Regierungen und Militärs in der Kritik, sondern auch aufgrund seines Einsatzes bei Wahlen (Stichwort Cambridge Analytica). Insbesondere die Verwendung von KI zur Erstellung von Wählerprofilen und gezielter Werbung auf Social-Media-Plattformen hat Bedenken hinsichtlich der Manipulation von Wahlen und der Privatsphäre von Wählern aufgeworfen.
Die Verwendung von KI im politischen Bereich ist kontrovers und die Praktiken von Palantir haben zu Debatten über die Regulierung von KI und die Notwendigkeit ethischer Richtlinien geführt. Kritiker warnen sowohl in der Politik als auch beim militärischen Einsatz vor unvorhersehbaren Konsequenzen.
Verkauf nur an westliche Demokratien?
Während Russland weiterhin auf analoge Kriegstechnologie setzt, soll in der ukrainischen Armee jedes Bataillon zumindest einen Computerfachmann in seinen Reihen haben. So sei man in der Lage, bis zu 300 Ziele pro Tag zu treffen, heißt es - dies wäre ein immenser Fortschritt im Vergleich zur früheren Kriegsführung.
Palantir betont, dass man dabei „ethisch und rechtlich korrekt“ handle. Man wolle derartige hoch entwickelte algorithmische Kriegsführungssysteme auch nur an westliche Demokratien und deren Verbündete verkaufen - das schließe etwa auch Geheimdienste, Armeen und Regierungsbehörden mit ein.
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