Die Informatiker arbeiten eigentlich nicht für die Fahrrad-Branche - ihnen geht es vielmehr um die Erforschung drahtloser Netze. Um deren Zuverlässigkeit zu prüfen, entwickelten sie die Radbremse als Modell. "Drahtlose Netze funktionieren nie hundertprozentig, das ist technologisch bedingt", erklärt Hermanns, der mit seiner Gruppe die drahtlose Fahrradbremse entwickelte. Dennoch gehe man zunehmend dazu über, Systeme drahtlos zu realisieren, die - wie eine einfache Fahrradbremse - immer funktionieren müssen.
"Konkrete Pläne existieren zum Beispiel für den künftigen Europäischen Zugverkehr", berichtet Hermanns. Experimente mit Zügen und Flugzeugen seien jedoch zu aufwendig und zu gefährlich. "Die drahtlose Fahrradbremse bietet uns die notwendige Spielwiese, um diese Methoden für den Einsatz in weitaus komplexeren Systemen zu optimieren", so der Wissenschaftler.
Je stärker der Händedruck, desto größer die Bremswirkung
Um zu bremsen, muss der Fahrradfahrer den rechten Gummigriff am Lenker fest umgreifen. Je stärker er greift, desto stärker bremst die Scheibenbremse im Vorderrad. Möglich macht dies ein Zusammenspiel von mehreren Komponenten: Im Gummigriff ist ein Drucksensor integriert, der ab einem bestimmten Druck einen kleinen Sender aktiviert.
Dieser sitzt in einem blauen Kunststoffkästchen von der Größe einer Zigarettenschachtel, das ebenfalls an der Lenkstange befestigt ist. Seine Funksignale gehen unter anderem an einen Empfänger am Ende der Radgabel. Dieser wiederum gibt das Signal an einen "Aktuator" weiter, der es in eine mechanische Bewegung umsetzt, die letztendlich die Scheibenbremse greifen lässt.
Zusätzliche Sender für mehr Sicherheit
Um die Ausfallssicherheit zu erhöhen, befindet sich in den Speichen des Hinterrades und an der Gabel des Vorderrades jeweils ein weiterer Sender. Sie fungieren als sogenannte Replikatoren, indem sie das Senden des Bremssignals wiederholen. Auf diese Weise soll sichergestellt sein, dass die entscheidende Funknachricht auch dann noch rechtzeitig ankommt, wenn die anderen Funkverbindungen zu langsam sind oder gar ganz ausfallen.
Die Informatiker haben allerdings herausgefunden, dass noch mehr Replikatoren nicht unbedingt noch mehr Sicherheit bieten. "Wenn es schlecht konfiguriert ist, können es auch ganz schnell drei aus fünf Bremsversuchen sein, die schiefgehen", so Hermanns.
Bremsverzögerung von 250 Millisekunden
Mit der aktuellen Ausstattung schafft es das Fahrrad spätestens nach 250 Millisekunden zu bremsen, was bei einer Geschwindigkeit von 30 Kilometer pro Stunde einem Reaktionsweg von zwei Metern entspricht. Dabei wollen es die Forscher jedoch nicht belassen. "Es ist jetzt nicht mehr schwer, ein Antiblockiersystem und Antischlupfregelung zu integrieren. Das ist schnell gemacht." Nach ersten Gesprächen mit namhaften Herstellern sucht Hermanns bereits ein Ingenieursbüro, das die drahtlose Fahrradbremse umsetzt.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.