712 Schlepper wurden im Vorjahr gefasst, aber nur ein verschwindend kleiner Bruchteil in unserem Bundesland. Prozesse in Linz gegen solche Menschen-Kuriere geben Einblick in diese Parallelwelt.
„Land der Möglichkeiten“, nennt die Politik Oberösterreich gerne. Aber in der Parallelwelt der Schlepperorganisationen ist unser Bundesland nur eine gefahrlose Durchzugsdestination. Erst beim Grenzübertritt zu Deutschland wird’s wieder kritisch.
Das zeigt die aktuelle Schlepperbilanz ganz deutlich: Im Vorjahr wurden bundesweit 712 Menschen-Kuriere geschnappt, in Oberösterreich nur sechs. Ein Jahr zuvor gab es österreichweit noch 441 Festnahmen, in OÖ immerhin 14. Im Jahr 2020 sind noch 51 von 311 bundesweit erwischten Schleppern in Oberösterreich angehalten worden. Der Rückgang der Aufgriffe in unserem Bundesland bei gleichzeitiger Steigerung der Gesamtzahl der Kuriere habe mit der gesteigerten Kontrolltätigkeit an den Grenzen zu tun.
Wie perfekt organisiert und skrupellos die Schleppermafia vorgeht, zeigten zwei Prozesse gegen erwischte „Begleiter“ in Linz. Ein erst 19-jähriger Syrer berichtete, wie er vom Geschleppten selbst zum Schlepper wurde. Denn die Familie konnte die 13.000 Euro für die Reise nicht aufbringen und verschuldete sich. Der Bursch strandete in Linz, hielt sich mit Hilfsarbeiterjobs über Wasser, aber die Schulden bekam er nicht los. So wurde er von einem Nachbarn angeheuert, um illegale Ausländer per Zug nach Deutschland zu schleusen. Wie viele Fahrten unbemerkt passieren, zeigte die Auswertung des Handys: zumindest 27 binnen zwei Monaten! Bis dann eine Kontrolle im Zug den Schleuser auffliegen ließ. Seine Kunden wurden auch erwischt, aber die haben eine Erfolgsgarantie und sind vermutlich vom nächsten Schlepper längst bis nach Deutschland gebracht worden. Der 19-Jährige bekam zwei Jahre Haft, davon acht Monate unbedingt. Und seine Schulden blieben.
Ein zweiter Schleuser (27) war von Bayern mit einem Kastenwagen nach Wien gefahren, hatte 24 Personen eingeladen und schon bis nach Bayern gebracht. Weil dort das Blaulicht anging und er zurück ins „Transitland“ Oberösterreich flüchtete, landete er bei uns in der Statistik.
„Krone“-Kommentar: Austauschbare Bauernopfer
Einer weg, der nächste da. Die aus dem Verkehr gezogenen Schlepper sind nur die Bauernopfer beim Verschieben der Ware Mensch. Denn die „Kunden“ haben den Fuhrlohn schon beglichen, und die Chauffeure sind austauschbar. Der Nachschub ist gesichert, rekrutiert sich leicht aus den Scharen der verschuldeten Geschleppten.
Hintermänner bleiben ungeschoren, ihre erwischten Mitarbeiter sind ihnen egal. Solange wir es nicht schaffen, die Nachfrage für illegale „Reisen“ zu beenden, läuft das Spiel weiter.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.