Elektro & Wasserstoff

Zero Emission: Am Steuer der Mercedes-Supertrucks

Motor
03.05.2023 10:00

Bei Mercedes Trucks ist die Marschrichtung klar: Die Zukunft des Antriebs schwerer Lkws und Sattelschlepper ist elektrisch, die Energie kommt aus der Brennstoffzelle und/oder aus dem Akku. Die ersten Elektro-Fahrzeuge hat der weltgrößte Lkw-Hersteller schon am Markt, an weiteren sowie an Brennstoffzellen-Trucks wird fieberhaft entwickelt. „Krone“-Motorredakteur Stephan Schätzl hat sich für diesen Video-Fahrbericht hinters Steuer der Zukunfts-Trucks geklemmt.

(Bild: kmm)

Dabei wurde schnell klar: Komfortabler als mit Elektroantrieb kann man nicht Sattelzug fahren. Doch des Komforts wegen wird kein Unternehmen Trucks mit alternativen Antrieben anschaffen. Es geht ums Klima. Und dafür gilt es mit Herausforderungen umzugehen, die man mit Verbrennern nicht hätte. 

Ein Argument gegen Strom-Lkws hat der Gesetzgeber bereits entkräftet: Wegen ihrer schweren Akkus sind sie deutlich schwerer als klassische Laster. Doch das geht nicht (oder nur kaum) auf Kosten der Nutzlast: Das zulässige Gesamtgewicht wird einfach um das für den klimafreundlichen Antrieb notwendige Mehrgewicht erhöht.

(Bild: Stephan Schätzl)

Wenn nur das Thema Reichweite nicht wäre. Diesel-Trucks können im Extremfall bis zu 1500 Liter Diesel bunkern und kommen dann mit einer Tankfüllung rund 5000 Kilometer weit. Von solchen Werten sind wir bei alternativen Antrieben weit entfernt (abgesehen davon haben auch bei Weitem nicht alle Verbrenner-Laster solche Riesentanks).

Haben Trucks ohne Dieselmotor überhaupt einen Sinn?
Jetzige Elektro-Lkws haben ihren idealen Einsatzbereich im lokalen oder regionalen Schwerlast-Verteilerverkehr. Oder etwa als Müllsammelfahrzeuge. Also überall dort, wo die Strecken nicht immens lang sind und erst recht dort, wo man lieber auf lokale Emissionen verzichtet. 

„Krone“-Motorredakteur Stephan Schätzl: Unter den richtigen Umständen können Elektro-Lkws schon heute sinnvoll eingesetzt werden. (Bild: Stephan Schätzl)
„Krone“-Motorredakteur Stephan Schätzl: Unter den richtigen Umständen können Elektro-Lkws schon heute sinnvoll eingesetzt werden.
(Bild: Stephan Schätzl)
(Bild: Stephan Schätzl)
(Bild: Stephan Schätzl)
(Bild: Stephan Schätzl)

Strom-Laster sind schon im Einsatz
Mercedes hat dafür bereits den eActros im Programm, einen 19-Tonner mit 336 oder 448 kWh Batteriekapazität. Diese verteilt sich auf drei bzw. vier jeweils 112 kW (brutto) große und 700 kg schwere Batterie-Packs, die unter dem Rahmen montiert sind. Als Reichweite für die kleinere Variante eActros 300 gibt Mercedes 300 Kilometer an, die voll beladen im Winter erreicht werden können. Das Leergewicht liegt etwa eine Tonne über dem eines vergleichbaren Diesels. 

Zwei Elektromotoren treiben die Hinterachse an, sie leisten zusammen dauerhaft 330 kW/449 PS, kurzzeitig sogar 400 kW/544 PS. Das sorgt für kräftigen Vortrieb. Die Kraftübertragung erfolgt über ein Zweigang-Automatikgetriebe und ist extrem geschmeidig. 

Das Fahrgefühl ist ein sänftenartiges, schwebendes, weil weder ein Motor zu hören noch Vibrationen zu spüren sind. Mit dem Retarderhebel am Lenkrad wechselt man zwischen den fünf Rekuperationsstufen. Doch wie im Elektro-Pkw kombiniert auch die Fußbremse die Rekuperationsbremse und die Radbremsen. Mit dem Unterschied, dass das Bremsgefühl hier im Lkw deutlich besser ist als in den elektrischen Pkws von Mercedes.

Die Akkus sitzen unter dem Rahmen. (Bild: Stephan Schätzl)
Die Akkus sitzen unter dem Rahmen.
Geladen werden sie über die ganz normalen DC-Stecker. (Bild: Stephan Schätzl)
Geladen werden sie über die ganz normalen DC-Stecker.
An der Hinterachse sitzen zwei Elektromotoren. (Bild: Stephan Schätzl)
An der Hinterachse sitzen zwei Elektromotoren.

Zwei Sattelzüge sind unterwegs
Die gleiche Antriebstechnik baut Mercedes auch in eine Zugmaschine ein, die im Herbst auf den Markt kommt. Hier gibt es allerdings nicht die Option auf das vierte Batterie-Pack. Wegen des kürzeren Radstands muss man sich mit dreien zufriedengeben. Das bedeutet bei einem voll beladenen Zug (hier ist es ein 34-Tonner) rund 220 Kilometer Reichweite. Unter günstigen Bedingungen sollen mehr als 300 Kilometer drin sein.

Egal ob Zweiachser oder Sattelzug - beide fühlen sich sehr kräftig an und ermöglichen ein sehr entspanntes Fahren. Wenn man keinen Stress wegen der Reichweite bekommt. Aber Lkw-Fahrten werden ja in der Regel gut geplant und nicht spontan durchgeführt. Das ist gut so, denn die Pkw-Ladeinfrastruktur ist für Lkws trotz identischer Stecker praktisch nicht nutzbar - man hat einfach keinen Platz an üblichen Ladesäulen.

(Bild: Mercedes-Benz)

Idealerweise stellt man sich also eigene Schnelllader aufs Firmengelände, die man sich übrigens auch finanziell fördern lassen kann.

Nächstes Jahr wird ein weiterer Sattelzug vorgestellt, der eActros Long Haul mit Fernverkehrs-Führerhaus. Der soll auf eine Reichweite von über 500 Kilometer kommen. Dazu verhelfen ihm Lithium-Eisen-Phosphat-Batterien, deren Kapazität noch nicht genannt wird. Fest steht: Diese Variante ist auf eine längere Nutzungsdauer und eine entsprechend höhere Laufleistung ausgelegt. Geht man beim eActros 300 als Sattelzug von sechs Jahren und 600.000 Kilometern aus, soll der Akku des Long Haul 10 Jahre und 1,2 Millionen Kilometer halten. 

„Krone“-Motorredakteur Stephan Schätzl: „Nie war Lkw-Fahren so angenehm wie mit Elektroantrieb!“ (Bild: Stephan Schätzl)
„Krone“-Motorredakteur Stephan Schätzl: „Nie war Lkw-Fahren so angenehm wie mit Elektroantrieb!“
Statt Rückspiegel sind beim eActros Mirror Screens angebracht. (Bild: Stephan Schätzl)
Statt Rückspiegel sind beim eActros Mirror Screens angebracht.
Sie haben in der Praxis viele Vorteile. (Bild: Stephan Schätzl)
Sie haben in der Praxis viele Vorteile.

Dank der anderen Zellchemie soll der LFP-Akku des Long Haul nach dieser Zeit noch 83 Prozent seiner ursprünglichen Kapazität haben, während beim 300er nach sechs Jahren nur für 70 Prozent garantiert wird. Dann sind Fahrzeug und Batterie reif fürs Recycling.

Der eActros Long Haul soll auch auf wirklich langen Routen einsetzbar sein, wenn man für die entsprechende Ladeinfrastruktur sorgt: An einer Megawatt-Ladestation lässt sich die Batterie in unter einer halben Stunde von 20 auf 80 Prozent laden.

Eine wirklich sinnvolle Alternative für den Fernverkehr der Zukunft sieht Mercedes jedoch in der Wasserstoff-Brennstoffzelleund entwickelt diese Technik in Zusammenarbeit mit Volvo Trucks.

Wasserstoff ist nicht gleich Wasserstoff
Wasserstoff, genauer gesagt die Wasserstoff-Brennstoffzelle kennen wir bereits vom Pkw. Es gibt zwar noch nicht viele, vor allem weil es kaum Tankstellen dafür gibt, aber die Technik funktioniert. Wasserstoff wird in gasförmigem Zustand unter Druck in Tanks gespeichert und reagiert in der Brennstoffzelle mit Luft. Dabei wird Energie frei, aus dem Auspuff strömt reiner Wasserdampf. Das Tanken dauert kaum länger als beim Verbrenner.

Nach diesem Prinzip hat Mercedes eine Zugmaschine umgebaut, die in zwei Tanks bei 350 bar insgesamt 18 Kilogramm Wasserstoff unterbringt. Jeder Tank befeuert eine von zwei Brennstoffzellen, die dort sitzen, wo einst der Dieselmotor war, und jeweils 120 kW liefern. Zusätzlich ist eine 70-kWh-Batterie an Bord, als Pufferspeicher und um genügend Motorleistung zu ermöglichen. Die Elektromotoren an der Hinterachse leisten über 600 kW, also über 800 PS. Brennstoffzellen und Akku stellen insgesamt bis zu 640 kW bereit.

Die Reichweite des Prototypen liegt bei nur 200 Kilometer. Würde man alle Möglichkeiten ausnutzen, also besseres Packaging und 700 statt nur 350 bar, wären rund 500 Kilometer drin. Das ist noch immer nicht wirklich viel, hat aber im Vergleich zum Elektro-Lkw den Vorteil, dass die Technik deutlich leichter ist. Das Wasserstoff-Tankstellennetz für Lkws ist aber noch dürftiger als das für Pkws. In Deutschland gibt es etwa zehn, wovon einige auch noch dauerhaft defekt sind. 

Daimlers Zugmaschine mit flüssigem Wasserstoff - hier an der MPreis-Tankstelle in Völs - ist ein reiner Versuchsträger. (Bild: Mercedes-Benz)
Daimlers Zugmaschine mit flüssigem Wasserstoff - hier an der MPreis-Tankstelle in Völs - ist ein reiner Versuchsträger.

Mercedes hat diese Technik vor allem deshalb im Einsatz, um sie grundsätzlich zu erforschen. Tatsächlich favorisiert man in Stuttgart aber einen anderen Aggregatszustand des Wasserstoffs:

Flüssiger Wasserstoff für hohe Reichweiten
Parallel forscht Mercedes mit einer Brennstoffzellen-Sattelzugmaschine, die den Wasserstoff in flüssiger Form speichert. Hier sind die Tanks kleiner, es kann entsprechend mehr Wasserstoff mitgeführt werden. Das Reichweiten-Ziel liegt bei 1000 Kilometer und mehr, womit man in Konkurrenz zum Diesel treten kann.

Drucktanks wie bei gasförmiger Lagerung kann man sich sparen. Stattdessen braucht man im Prinzip riesige Thermosflaschen, denn flüssiges H2 muss bei rund 250 Grad unter null gelagert werden, sonst wird es gasförmig (Siedepunkt ist -252 Grad Celsius). Das ist relativ unkompliziert, man braucht also keinen Kühlschrank im Tanksystem. Im Betrieb wird die Menge Wasserstoff, die man braucht, erwärmt, sodass sie aus dem Tank in die Brennstoffzelle strömt. Alles Weitere ist identisch mit dem gerade beschriebenen Antrieb, also gleiches Brennstoffzellen-/Akku-Setup, gleiche Motoren.

Der Haken an der Sache: Tankstellen für flüssigen Wasserstoff sind noch seltener als die für gasförmigen, nämlich öffentlich nicht vorhanden. 

Bei einem Wasserstoff-Lkw kommt aus dem Auspuff reiner Wasserdampf. (Bild: Mercedes-Benz)
Bei einem Wasserstoff-Lkw kommt aus dem Auspuff reiner Wasserdampf.

Home-made Infrastruktur
Fakt ist: Unternehmen, die Wasserstoff-Trucks einsetzen möchten, müssen sich ihre Tank-Infrastruktur selbst aufbauen, ob gasförmig oder flüssig. Für den flüssigen sprechen die höheren Reichweiten, aber auch, dass Wasserstoff generell in flüssiger Form transportiert wird. Zur Lagerung würde man ihn also einfach in seinem Zustand belassen. Im Moment ist das noch mehr Zukunftsmusik als gasförmiger Wasserstoff, aber sie scheint zukunftsträchtiger.

Im täglichen Einsatz in Österreich ist allerdings nur gasförmiger Wasserstoff: Lebensmittelhändler MPreis etwa produziert in Völs bei Innsbruck selbst grünen Wasserstoff und plant eine Flotte von 40 Lkws. Derzeit ist es - mangels Verfügbarkeit von Serienfahrzeugen - einer aus chinesischer Produktion, und der läuft nicht problemlos. Die Produktionskapazität von 1,3 Tonnen Wasserstoff pro Tag liegt noch mehr oder weniger brach.

Die „Eingeweide“ des Wasserstoff-Trucks (Bild: Stephan Schätzl)
Die „Eingeweide“ des Wasserstoff-Trucks

Immense Kosten für alternative Antriebe
Lkws mit alternativen Antrieben sind ungleich teurer als solche mit Dieselmotor. Bei Elektroantrieb kann man vom Faktor zwei bis drei ausgehen, Wasserstoff-Trucks sind sogar drei- bis fünfmal so teuer wie Verbrenner. Um die EU-Klimaziele zu erreichen, braucht es also Unterstützung.

Derzeit aktuell ist die sogenannte ENIN-Förderung (ENIN= Emissionsfreie Nutzfahrzeuge und Infrastruktur). Das EU-Programm schießt bis zu 80 Prozent der Mehrkosten für Fahrzeuge zu. Auch Lade-/Tank-Infrastruktur ist förderfähig, denn ohne eine solche bringen die schönsten Trucks nicht viel. Allerdings bekommt nicht jeder alles. Man muss sich bewerben und tritt in Wettbewerb mit anderen Firmen. Den Zuschlag bzw. die höchste Förderung sollen die Projekte bekommen, die den meisten Nutzen fürs Klima versprechen.

Unterm Strich
Spätestens 2039 will Daimler in Europa, Japan und den USA nur noch Zero-Emission-Lkws verkaufen. Im Jahr 2030 will man bereits bei 60 Prozent sein. Strom-Lkws sind bereits in Serienproduktion bzw. werden nun nach und nach starten. Die Brennstoffzellen-Trucks versprechen die Stuttgarter für die „zweite Hälfte dieses Jahrzehnts“. Auch andere Hersteller sind an diesen Themen dran. Vielleicht wird das Transportwesen künftig klimafreundlicher - einfacher wird es sicher nicht.

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(Bild: kmm)



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