Die Sensation ist perfekt! Nur wenige Tage nach seinem WM-Triumph wird der Belgier Luca Brecel bei den Vienna Snooker Open (4. - 7. Mai) an den Start gehen. Den Traum vom WM-Titel und im altehrwürdigen Crucible Theatre in Sheffield zu spielen, verfolgt auch Österreichs Aushängeschild Florian Nüssle. Der 21-Jährige scheiterte in der Qualifikation nur knapp an den späteren WM-Halbfinalisten Si Jiahui. Sportkrone.at sprach mit Nüssle über seine Chancen beim Heimturnier in Wien, über sein wichtigstes Ziel, Klimaproteste im Sport und wie er heimische Snookerspieler im internationalen Vergleich sieht …
Sportkrone.at:Du musstest dich heuer bei der Q-Tour im Kampf um ein begehrtes Ticket für die Main Tour im Play-off-Finale Ashley Carty mit 2:5 geschlagen geben. Was war das für eine Situation für dich, nur ein Match von der Tourkarte entfernt zu sein?
Florian Nüssle: Es war ein furchtbares Match für mich. Von allen vier Matches bei diesem Turnier war es leider mein schlechtestes. Ich habe ihn nicht wirklich fordern können, aber das zählt zur Erfahrung dazu und hoffentlich wird es bei den nächsten Antritten besser werden.
Gegen den 21-jährigen Chinesen Si Jiahui warst du bei der Qualifikation für die Weltmeisterschaft im „Best-of-19“-Modus schon 1:8 hinten gelegen. Dein Gegner hat nur noch zwei Frames zum Sieg benötigt und am Ende hast du das Match fast noch gedreht. Was war das für ein verrücktes Match?
Es war leider ein unglückliches Session-Drama. In der ersten Session (neun Frames werden gespielt, Anm.) habe ich mich gut gefühlt, aber durch leichte Fehler, ist das leider schnell nach hinten losgegangen. Dann stand es plötzlich 0:8 aus meiner Sicht. Es war aber nicht so, dass ich chancenlos war und das Gefühl hatte, dass ich hier untergehe, sondern ich habe die Frames leichtfertig her geschenkt. In der Abendsession (restliche Frames werden gespielt, Anm.) habe ich weiterhin an mein Spiel geglaubt, und da ist es mir dann besser gelungen, ihn unter Druck zu setzen. Ich bin in einen Lauf gekommen und habe ein ordentliches Comeback gestartet zum 7:9. Schlussendlich war die Aufgabe aber zu groß, weil er beim Stand von 1:9 aus meiner Sicht nur noch den einen Frame zum Sieg gebraucht hatte.
Wie wertvoll war die Erfahrung für dich zu wissen, mein Gegner braucht nur noch ein Frame, aber ich vertraue trotzdem auf mein Spiel und kann ihn noch gefährlich werden?
Es war mental sicherlich eine riesige Erfahrung, ich habe definitiv einen Schritt nach vorne gemacht. Wer weiß, wo es hingehen hätte können, wenn ich die erste Session etwas ausgeglichener gestaltet hätte, denn er (Si Jiahui, Anm.) ist bei seinem WM-Debüt dann ins Halbfinale eingezogen.
Richtig, das war der Startschuss für ein wahres Snooker-Märchen. Der chinesische Youngster musste sich erst im Halbfinale dem späteren Weltmeister Luca Brecel beugen.
Es zeigt nur, was für ein Talent er hat. Für mich ist es auch ein gutes Gefühl zu wissen, dass ich gar nicht so weit weg bin von dem, was er geschafft hat. Ich habe gegen ihn dasselbe gezeigt, was er nun auf der großen Bühne zeigt.
Bei der WM gab es einen Vorfall mit einem Klimaaktivist, der auf den Tisch sprang und Farbpulver verteilte - was sagst du dazu?
Ich habe zuerst gedacht, dass so etwas irgendwo in einem Snooker-Klub auf der Welt passiert ist. Als ich bemerkt habe, dass es im Crucible war, geriet ich erstmal in Schockstarre. Es hat nichts mit Snooker zu tun und ist für mich in allen Aspekten einfach nur dümmlich. Ich frage mich dabei, was da im Endeffekt rauskommen soll, außer dass Leute noch mehr Hass gegenüber Klimaaktivisten verspüren. Man kann nur hoffen, dass es sich in Grenzen hält, weil es mit dem Sport an sich nichts zu tun hat.
Der Weltranglisten-Siebente Shaun Murphy hat mit einem kontroversen Regelvorschlag auf Twitter für reichliche Diskussionen gesorgt. Laut ihm sollte das erzwungene Spielen, um Snooker zu bekommen (Foulpunkte, Anm.) aufhören. Das heißt, wenn man den Frame aufgrund der Punktedifferenz mathematisch nicht mehr aufholen kann, sollte der Frame vorbei sein. Was hältst du davon?
In der Aussage geht es eher darum, dass man das Spiel schneller und attraktiver für die Zuschauer macht. Grundsätzlich bin ich dafür, aber diese spezielle Regel gehört zum traditionellen Snooker-Regelwerk dazu, und es ist schon oft passiert, dass man beispielsweise drei Snooker aufholt, das ist auch meine Grenze und habe ich schon oft erlebt. Wenn die Punktedifferenz vier Snooker beträgt und die Regel besagt, das dann der Frame zu Ende ist, wäre es für mich absolut in Ordnung. Ich glaube aber nicht, dass sich da so schnell etwas ändern wird.
Kommen wir zu Luca Brecel, der im WM-Finale überraschend gegen den vierfachen Weltmeister Mark Selby 18:15 gewann. Neben der Trophäe ist der 28-Jährige um ein Preisgeld von 500.000 Pfund (rund 570.000 Euro) reicher, nur vier Tage später tritt er bei den Vienna Snooker Open an. Zum ersten Mal ist damit ein amtierender Weltmeister in Wien zu Gast. Wie siehst du seine Leistung? Ist er der Top-Favorit in Wien?
Auf jeden Fall. Auch ohne seine derzeitige Form wäre Brecel für mich der Favorit. Aber es sind auch noch andere Spieler dabei, die ein hohes Ranking haben.
Und was am Ende dabei rauskommt, das liegt, wie Ronnie O’Sullivan immer so schön sagt, an den Snooker-Göttern.
Florian Nüssle
Du sprichst es an, neben Brecel sind auch Robert Milkins (Weltranglisten 13.), WM-Teilnehmer David Grace und Main-Tour-Profis Craig Steadman, Alexander Ursenbacher und Lukas Kleckers im Bewerb dabei. Was rechnest du dir für Chancen aus?
Ich war bei diesem Turnier schon mal im Viertelfinale. Die Tagesverfassung wird entscheidend sein und bei Matches über kürzere Distanzen kann es auch immer ein „Coinflip“ werden, wer am Ende als Sieger vom Tisch geht. Andererseits macht es das „Best-Of-3“-Format für die Zuschauer spannend, weil man immer ein bisschen auf die Zehenspitzen steht und alles passieren kann. Ich konzentriere mich aber auf mein Spiel, dann habe ich die besten Chancen. Und was am Ende dabei rauskommt, das liegt, wie Ronnie O’Sullivan immer so schön sagt, an den Snooker-Göttern.
Wie groß ist denn die Dichte an guten Snookerspielern in Österreich?
Es ist immer schwer zu sagen, wie man „gute Spieler“ definiert. Aus meiner Sicht sind die Top-10 in Österreich auch international sehr gut vertreten und drei bis vier Spieler haben sicherlich das Potenzial, bei einer Europameisterschaft eine Top-32-Platzierung zu erreichen.
Verfolgst du neben Snooker auch andere Sportarten? Wenn ja, welche?
Ja, ich bin rundum sportinteressiert und habe auch eine Fußball-Vergangenheit. In der Jugend habe ich fünf Jahre bei Sturm Graz gespielt, verfolge die deutsche und österreichische Bundesliga und war damals auch im Golf-Nationalkader.
Dein Meistertipp in der österreichischen Bundesliga?
Ich muss bei Red Bull Salzburg bleiben, weil ich sie trotzdem über Sturm Graz sehe. Sturm hat aber dieses Jahr auch bewiesen, dass sie es drauf haben.
Was sind deine nächsten Ziele?
Mein Fokus liegt ganz klar auf den Tour-Karten-Events. Das nächste findet zwei Wochen nach den Vienna Snooker Open statt (26.5 - 6.6). Mein einziges Ziel ist es, auf die Snooker-Main-Tour zu kommen.
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