Tadel für Moskau
Russland für China erstmals „Aggressor“ in Ukraine
Seit Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine war China stets um diplomatische Zurückhaltung bemüht. Bei wichtigen Abstimmungen bei den Vereinten Nationen enthielt man sich bislang, nun gab es aber eine kleine Kehrtwende. Erstmals stimmte das Land für eine Resolution, die Russland als „Aggressor“ in der Ukraine bezeichnet.
Obwohl die große Mehrheit der UN-Länder bislang die Vorstöße Russlands auf die Ukraine verurteilten, stellten sich russlandfreundliche Länder wie Belarus, Nordkorea, Eritrea, Mali, Nicaragua und Syrien bei den UN-Versammlungen stets an die Seite von Moskau. China wurde aufgrund zahlreicher Enthaltungen oder Gegenstimmen dabei international auch als prorussisch gewertet.
Wie nun bekannt wurde, könnte sich die Stimmung der Asiaten aber bei der letzten Abstimmung etwas gewandelt haben. Neben Indien, Brasilien und weiteren Russland nahestehenden Staaten, stimmte am 26. April nämlich auch China für eine Resolution, die Moskau für die militärische Aggression gegen die Ukraine „anerkennt“. Dazu wird darin die Notwendigkeit ausformuliert, die „Unabhängigkeit und territoriale Integrität aller Staaten“ zu achten.
Nur fünf Länder gegen Resolution
Die von 48 Staaten vorgeschlagene Resolution forderte eine Zusammenarbeit zwischen den Vereinten Nationen und dem Europarat, um unter anderem die „beispiellosen Herausforderungen, vor denen Europa nach der russischen Aggression gegen die Ukraine und Georgien steht“, anzugehen und wurde in Summe von 122 Ländern unterstützt.
Von den 127 Ländern, die an der Abstimmung teilnahmen, sprachen sich nur fünf gegen die Resolution aus: Russland, Belarus, Nordkorea, Nicaragua und Syrien. Achtzehn Staaten enthielten sich der Stimme.
Chinas Neutralität mit Schlagseite
Das durchaus überraschende Votum ist aber wohl nicht als eine nun anlaufende Abkehr von Russland zu sehen. Vielmehr dürfte Peking sich darum bemühen, in dem Konflikt etwas neutraler wahrgenommen zu werden - davon zeugt etwa auch das Telefonat von Staatschef Xi Jinping mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj.
Experte sieht „klare Mahnung an Moskau“
Es sei aber auch eine „klare Mahnung an Moskau“, dass es nur sehr wenig Einfluss auf China hat „und im Grunde schlucken muss, was ihm vorgesetzt wird“, erläutert der Historiker Sergej Radschenko vom Henry-Kissinger-Zentrum für globale Angelegenheiten an der Johns-Hopkins-Universität. Es handle sich dabei vielmehr um das „erwartbare Ergebnis von Putins katastrophaler, einseitiger Umarmung Pekings“, führt er weiter aus.
China scheint also weiterhin tendenziell eher auf Russlands Seite zu stehen, sei aber bestrebt, den Konflikt einzufrieren, statt ihn auf unbestimmte Zeit hinauszuzögern oder zu eskalieren, so der Experte für den Kalten Krieg. „Ein geschwächtes/isoliertes Russland, das nach dem Krieg Peking verpflichtet ist, dient objektiv den Interessen Chinas“, so Radschenko.
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