In Kärnten sind immer mehr Tiere vom Aussterben bedroht. Sie finden sich auf der neuen Roten Liste. Experten fordern daher schon lange einen gesetzlichen Schutz aller hochgradig gefährdeten Arten und damit auch Berücksichtigungen bei Bauprojekten. Klimawandel, Flächenfraß, Überfischung, Wilderei werden immer problematischer.
Eine traurige Bilanz ziehen die neu überarbeiteten „Roten Listen gefährdeter Tiere Kärntens“, die von Experten in einem großen Nachschlagewerk zusammengefasst wurden und einmal mehr weitere Naturschutzmaßnahmen fordern.
„Mit diesem Werk ist ein Meilenstein in der Erforschung und Dokumentation des aktuellen Wissensstandes zur Tierwelt unseres Bundeslandes gelungen“, betont Biologe Christian Komposch vom Ökoteam. „Als Gebietsmonographie bietet diese „Fauna Carinthiaca“ für 27 Tiergruppen aus den Weichtieren, Spinnentieren, Krebstieren, Insekten und Wirbeltieren Checklisten mit Angaben zur Häufigkeit, Horizontal- und Höhenverbreitung, Lebensraumnutzung und Biologie der einzelnen Arten.“ Von den 8468 in der Roten Liste für Kärnten belegten und hinsichtlich ihrer Gefährdungssituation eingestuften Arten werden aktuell 4180 Taxa und damit 49 Prozent als Spezies mit hoher Aussterbewahrscheinlichkeit klassifiziert. Davon sind 96 Prozent Wirbellose und nur vier Prozent Wirbeltiere.
458 Gruppen sind schon ausgestorben
Als regional ausgestorben oder verschollen mussten 458 Gruppen eingestuft werden, 787 sind vom Aussterben bedroht, 945 stark gefährdet, 1604 gefährdet und für 962 ist eine drohende Gefährdung erkennbar – sie stehen in der Vorwarnliste.
Als Hauptgefährder für die Kärntner Fauna gelten laut Experten die Landwirtschaft (994 Arten), Forstwirtschaft (793 Arten), der Wasserbau (411 Arten) und die Energiewirtschaft (369 Arten), gefolgt von Siedlungsbau, Umweltgiften und Klimawandel. „Die globale Erderwärmung begünstigt das Vordringen gebietsfremder Arten und erhöht das Aussterberisiko für Gebirgsarten, Höhlenbewohner.“
Experten haben eine klare Forderung
Auch die größten Besonderheiten der Tierwelt Kärntens – die Endemiten – seien bereits in Gefahr. Sie kommen weltweit nur in Kärnten oder im Ostalpenraum vor, wie zum Beispiel der Palpenkäfer, der Koralpen-Zwergweberknecht oder der Obir-Blindläufer.
Leider sind Allerweltsarten – vom Tagpfauenauge bis zum Siebenpunkt-Marienkäfer – gefährdet. Experten fordern den konsequenten Erhalt naturnaher Lebensräume wie Naturwälder, Moore, Quellfluren oder Magerrasen.
Wichtiger Teil des Ökosystems ist in Gefahr
Im „Krone“-Interview erzählt Biologe Christian Komposch über das Insektensterben und die damit verbundenen Auswirkungen auf unser Ökosystem.
„Krone“: Das Insektensterben geht weiter. Eine Katastrophe fürs Ökosystem?
Christian Komposch: Insekten, Spinnentiere und andere Wirbellose sind die Basis unserer Ökosysteme. Sie machen auch in Kärnten 99 Prozent unserer Artenvielfalt aus. Jeder kann sich wohl ausmalen, was passiert, wenn wir das Fundament eines Hochhauses untergraben...
Leider haben die kleinen Insekten nur eine kleine Lobby. Dabei sind doch gerade diese so wichtig, oder?
Natur- und Artenschutz ist nicht nur eine Sache der Fakten, sondern auch unserer Emotionen. Wir schützen viel lieber jene Tiere, die uns ähnlicher sind, kuschlig und putzig wirken. Da haben es die Fische deutlich schwerer, noch viel schwerer ist es dann natürlich für die ganz Kleinen, die wirbellosen Tiere, uns zu berühren.
Was würde zum Beispiel passieren, wenn es keine Spinnentiere mehr geben würde?
Mein Forscherkollege Martin Nyffeler von der Uni Basel hat berechnet, dass die Spinnen weltweit jährlich schätzungsweise 400 bis 800 Millionen Tonnen Beutetiere aus dem Verkehr ziehen. Würde es keine Spinnen geben, wäre unsere Luft voller Mücken und Gelsen.
Welche Rolle spielen die eingeschleppten Tierarten - Alien Species?
Leider eine sehr unrühmliche. Sie sind die Küchenschaben unter den Tieren. Sie sind uns lästig - Zitterspinnen im Haus - und gefährlich -Asiatische Tigermücke, Riesenzecken - und vernichten unsere Ernte und Vorräte - Maiszünselbohrer. Gravierend sind auch die negativen Auswirkungen auf unsere heimischen Arten: Sie sind so konkurrenzstark, dass sie heimische Arten verdrängen können.
Wie steht Kärnten im Bundesländer-Vergleich da? Gibt es Regionen, in denen der Anteil an gefährdeten Tierarten größer ist?
Im Vergleich - belastbare Werte fehlen leider weitgehend - sieht es in anderen Bundesländern mit größeren intensiv bewirtschafteten Tieflagen und weniger Bergen mit Sicherheit noch schlimmer aus.
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