Arbeiterkammer (AK) und ÖGB pochen auf zusätzliche Mittel für die Pflege. Bis 2030 würden mindestens 75.000 Pflegekräfte fehlen, so AK-Präsidentin Renate Anderl und ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian bei einer Pressekonferenz am Freitag (siehe Video oben). Daher müssten die Arbeitsplätze in diesem Bereich attraktiver gestaltet werden. Enttäuscht zeigte man sich von der vor einem Jahr präsentierten Pflegereform der Bundesregierung: Vieles sei gar nicht oder „schlampert“ umgesetzt worden, so Katzian.
Geändert habe sich im Pflegebereich in diesem Jahr wenig, meinte Anderl: „Man hat maximal ein kleines Pflaster auf eine Wunde gelegt.“
„Es entsteht mehr Schaden als Nutzen“
Viele der angekündigten Maßnahmen hätten bei der Umsetzung dann für Enttäuschung gesorgt. So sei etwa eine zusätzliche Entlastungswoche für Pflegekräfte ab dem 43. Lebensjahr unabhängig von der Dauer der Betriebszugehörigkeit versprochen worden. Nun würden dagegen bestehende Zusatzurlaubstage angerechnet: „Dadurch ändert sich für viele gar nix - so entsteht mehr Schaden als Nutzen.“
Kritik an Umsetzung des Pflegebonus
„Katastrophal“ sei auch die Umsetzung des Pflegebonus ausgefallen, monierte Anderl. Aufgrund fehlender Vorgaben hätten die Länder die Regelung unterschiedlich umgesetzt, was zu Verärgerung bei den Betroffenen geführt habe. Manche Berufsgruppen seien vollständig ausgeschlossen worden, die Befristung der Maßnahme habe zu Unsicherheiten geführt. „Ein Rohrkrepierer der Sonderklasse“, ergänzte Katzian.
Ein Rohrkrepierer der Sonderklasse.
ÖGB-Chef Wolfgang Katzian zur Umsetzung des Pflegebonus
Dringend nötig sei eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen, forderte der ÖGB-Chef. „Der Personalschlüssel ist einer der wichtigsten Hebel, um Schritte nach vorne zu machen.“ Das ständige Einspringen-Müssen wegen Personalmangels führe dazu, dass auch viele aktuelle Pflegekräfte über einen Ausstieg nachdenken.
Umgekehrt würden viele erst gar nicht einsteigen, weil es in der Ausbildung kein existenzsicherndes Einkommen gebe, so Anderl. Katzian wiederum forderte, dass jene Personen, die in den Einrichtungen für die Ausbildung der Nachwuchskräfte sorgen, in dieser Zeit aus dem Dienstrad genommen werden.
Personal aus Ausland anwerben „eh gut“
Dass manche Bundesländer zur Behebung des Personalmangels Pflegekräfte aus Vietnam oder anderen Staaten anwerben, findet der ÖGB-Präsident „eh gut“. Diese „Notmaßnahmen“ könne man den Ländern nicht vorwerfen.
„Am Ende geht es um den Sozialstaat“
Klar ist sowohl für Anderl als auch Katzian, dass sämtliche Maßnahmen viel Geld kosten, aber: „Am Ende des Tages geht es um den Sozialstaat. Wenn wir das wollen, müssen wir sagen, wir werden es auch finanzieren“, so Katzian. „Große Vermögen“ und „große Erbschaften“ müssten daher mehr beitragen, bemühte er Standard-Analogien: „Weil breite Schultern mehr tragen können wie ein Zniachterl.“ Er habe auch nichts dagegen, wenn solche zusätzlichen Einnahmen dann für die Pflege zweckgebunden würden - „Why not? Wenn sich größere Vermögen dann leichter tun ...“
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