Drohnen über Moskau
War Kreml-Attacke fake? Nein, sagen diese Experten
Wer zwei Drohnen Richtung Kreml steuerte, bleibt ein Rätsel. Doch der britische Geheimdienst sieht keine Inszenierung Russlands. Und Drohnenexperten bringen eine weitere Option ins Spiel.
Der britische Militärgeheimdienst geht offenbar davon aus, dass die russische Regierung nichts mit der Drohnenattacke auf den Kreml zu tun hat. In seinem jüngsten Briefing beschäftigt sich der Nachrichtendienst mit dem bevorstehenden Tag des Sieges am 9. Mai.
In großen Teilen Russlands herrsche Nervosität, viele Gedenkveranstaltungen würden abgesagt, der Empfang des russischen Präsidenten Wladimir Putin im Anschluss an die Parade werde ebenfalls nicht stattfinden und dann folgt der entscheidende Satz: „Der Zeitpunkt des Drohnenangriffs auf den Kreml wenige Tage vor dem Tag des Sieges zeigt die zunehmende Anfälligkeit Russlands für solche Angriffe.“
Der „Drohnenangriff“ wurde nun zum ersten Mal öffentlich vom britischen Geheimdienst erwähnt. Die Briten gehen offenbar von einer Attacke auf das Moskauer Regierungsviertel aus - ohne die Ukraine mit dem Vorfall in Verbindung zu bringen. Experten konnten die verwendeten Drohnen noch nicht den ukrainischen Streitkräften zuordnen, ein Start aus der Ukraine wird aber mittlerweile bezweifelt.
Drohnenstart in Russland?
Doch wer ist nun verantwortlich? Die Ukraine und die mit ihr verbündeten Partisanengruppen haben während des gesamten Krieges ihre Fähigkeiten ausgebaut. Drohnenangriffe innerhalb Russlands - manchmal über große Entfernungen - sind nichts Neues, urteilte zuletzt Dan Sabbagh, Experte für Verteidigung und Sicherheit, im britischen Guardian.
Im Februar versuchte beispielsweise eine ukrainische UJ-22-Drohne, eine Gasanlage südöstlich von Moskau anzugreifen, wie Bilder zeigten.
Der Drohnentyp sei hier besonders wichtig, da es sich um eine leichte Starrflüglerdrohne handle. Diese würde einer der zwei Drohnen, die auf den Kreml zuflogen, sehr ähnlich sehen, schreibt Sabbagh. Die abgeschossenen Geräte könnten auch nach Meinung von US-Experten in Russland gestartet worden sein. Der Grund: Niemand kann sich vorstellen, dass das Flugabwehrsystem über Moskau so fehleranfällig sein kann.
Experten: Drohnen müssen manuell gesteuert gewesen sein
Spätestens seit 2015 werde zum Schutz des Kremls das sogenannte „Spoofing“ eingesetzt, bei dem die Leitsysteme auch von Drohnen durch GPS-Störsignale getäuscht würden, Dana Goward, Präsident der gemeinnützigen Stiftung Resilient Navigation and Timing. Die bis zum Kreml vorgedrungenen Drohnen könnten deshalb ohne GPS geflogen und stattdessen manuell gesteuert worden sein - was auf einen Start in der näheren Umgebung hindeute.
Auch der Gründer und Chef des Drohnen-Herstellers BRINC, Blake Resnick, geht von einem Verzicht auf GPS-Steuerung oder jegliche Kommunikation mit einer Bodenstation aus. Auch die vergleichbar geringe Größe der Geräte und die niedrige Flughöhe könnten dies ermöglicht haben.
Ukraine verfügt über Langstreckendrohnen
Überhaupt gibt es laut Dan Gettinger, Drohnen-Experte bei der Ingenieurs-Vereinigung Vertical Flight Society, nur rund ein halbes Dutzend größere Militärdrohnen-Modelle, die eine Strecke von mehr als 400 Kilometern fliegen könnten - also beispielsweise aus der Ukraine bis nach Moskau.
Wir greifen Putin nicht an
Wolodymyr Selenskyj
Bild: AFP
Nur wenige Länder produzierten Drohnen dieser Größe und mit diesen Möglichkeiten, neben China, Indien und Taiwan allerdings auch die Ukraine. Solche Flugobjekte sind also eher selten. Bei einem Start innerhalb Russlands sei die Bandbreite an Drohnen, die einen solchen Angriff ausführen könnten, deutlich größer, resümiert Gettinger.
Weiterhin unklar ist, ob die ukrainische Führungsriege um Wolodymyr Selenskyj etwas mit der Attacke zu tun hat oder ob eine pro-ukrainische Gruppe außer Kontrolle ist. Oder beides. Das wird wohl ein Geheimnis bleiben. Am Donnerstag verkündete der ukrainische Präsident noch einmal: „Wir greifen Putin nicht an.“
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