Tage der Entscheidung

Kommt Frankreich-Modell? Bürgern schmilzt Geld weg

Politik
06.05.2023 14:28

Österreich ächzt unter anhaltend hohen Lebenskosten. Finanzminister Magnus Brunner lehnt direkte Markteingriffe ab und schlägt stattdessen ein Frankreich-Modell vor. Treffen mit Experten sollen Lösungen bringen, während heimische Hilfsorganisationen und Wirtschaftsinstitute Alarm schlagen. 

Brunner (ÖVP) will im Kampf gegen die hohen Lebensmittelpreise das französische Modell prüfen. Dort hätten sich Lebensmittelhändler und Regierung darauf geeinigt, bei bestimmten Lebensmitteln für ein Quartal die Preise nicht anzuheben. „Das finde ich interessant und das könnte man beispielsweise beim Lebensmittelgipfel am Montag auch entsprechend einbringen und besprechen“, erklärte Brunner in der Ö1-Reihe „Im Journal zu Gast“.

Eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel, wie von Grünen-Klubchefin Sigrid Maurer ins Spiel gebracht wurde, lehnt Brunner als „klassische Gießkannenmethode“ ab, von der vor allem Menschen mit höheren Einkommen besonders stark profitieren würden. Brunner bezweifelt, „ob das gescheit ist“.

Brunner schließt Mietpreisbremse aus
In anderen europäischen Ländern habe man gesehen, dass diese Maßnahme nicht oder nur teilweise an die Endkonsumentinnen und -konsumenten weitergegeben werde. Auch andere zusätzliche Preisbremsen, etwa bei Mieten, schließt Brunner aus - obwohl die Preise in Österreich ungewöhnlich stark steigen (siehe Grafik).

Tage der Entscheidung
Im Kampf gegen die hohe Inflation haben Brunner und Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) für nächste Woche Treffen mit Expertinnen und Experten sowie - falls von diesen gewünscht - den Sozialpartnern angekündigt. Sozialminister Johannes Rauch hat unterdessen mit Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) Experten und Vertreter des Handels zu einem Lebensmittelgipfel geladen.

Die Regierung habe laut Brunner bereits Maßnahmen wie die Stromkostenbremse, die Netzkosten- und Energieabgabenreduktion gesetzt. Diese hätten auch zur Eindämmung der Teuerung beigetragen. Außerdem gebe es in einigen Bereichen einen Preisrückgang, etwa bei der Energie. Man müsse deshalb nun bei allen Maßnahmen hinterfragen, ob sie noch notwendig sind oder nicht sogar preistreibend wirken könnten und man sie auslaufen lassen sollte.

Österreichern schmilzt das Geld weg
Eine Umfrage der Caritas zeichnet ein anderes Bild der aktuellen Lage. Etwa neun von zehn „materiell und sozial benachteiligte Personen“ könnten sich keine „regelmäßigen Freizeitaktivitäten“ mehr leisten (siehe Grafik).

Durch den anhaltend hohen Preisdruck mussten laut Statistik Austria mehr als ein Drittel der Österreicher Ende 2022 Einkommensverluste hinnehmen. Immer mehr Bürger rutschen zudem deutlich ins Minus. „Die Überschuldung ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen“, erklärte jüngst der Chef der asb Schuldnerberatungen GmbH, Clemens Mitterlehner, in einer Pressekonferenz.

Menschen würden immer öfter sagen: „Ich habe eigentlich keinen Fehler gemacht und trotzdem bin ich in der Schuldenberatung.“ Eine aktuelle Studie der Denkfabrik Bruegel zeigt, dass Österreich im Eurozonen-Vergleich am wenigsten in die Preise eingriffen hat. Das Motto bisher: Einmalzahlungen.

„Das Problem der Teuerung packt man dabei nicht an der Wurzel, man bekämpft lediglich Symptome“, sagte Momentum-Ökonomin Marie Hasdenteufel in einer Aussendung. Die meisten haben laut der Analyse des gewerkschaftsnahen Instituts auf einen Mix aus einkommens- und preiswirksamen Maßnahmen gesetzt. Beispiele sind der Strompreisdeckel und die Mietpreisbremse in Spanien sowie die Gaspreisbremse in Deutschland.

Deutlich höhere Inflationsrate im Vergleich zu Deutschland
Vor allem zu Deutschland ist der Preisunterschied mittlerweile deutlich. Wifo-Chef Gabriel Felbermayr befürchtet eine weitere Verschlechterung im Europa-Vergleich, falls die Regierung nicht eingreift. „Wir müssen jetzt sicherlich an vielen Hebeln ziehen, damit wir diesen relativ großen und leider auch wachsenden Inflationsunterschied zur Eurozone schließen“, so Felbermayr kürzlich in der „ZiB 2". „Dass der Abstand so groß ist zur Eurozone, muss uns schon zu denken geben.“ Jüngste Daten sehen das durchschnittliche Preisniveau Deutschlands bereits mehr als sieben Prozent unter dem heimischen (siehe Grafik).

Wie stark die Inflation in Österreich vor allem für Menschen mit wenig Geld durchschlägt, dokumentiert die Arbeiterkammer in einem Preisvergleich. Demnach sind gerade die günstigsten Nahrungs- und Reinigungsmittel in den Supermärkten um 20 bis 35 Prozent teurer geworden, die jeweils günstigsten Drogeriewaren haben sich je nach Kette um bis zu 33 Prozent verteuert. Bei ausgewählten einzelnen Produkten hat sich laut AK der Preis verdoppelt oder in Extremfällen sogar verfünffacht, vor allem weil es die besonders günstigen Angebote des Vorjahres nicht mehr gibt.

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