Auf Russland-Kurs?

Ukraine fühlt sich von EU “wie Bettler behandelt”

Ausland
20.10.2011 20:12
Die Ukraine fährt derzeit einen gefährlichen Schlingerkurs. Präsident Viktor Janukowitsch versucht einerseits die Annäherung an Brüssel, will sich aber auch die Tür nach Moskau offenhalten. Mit der EU wollte er am Donnerstag eigentlich über ein Freihandelsabkommen verhandeln. Nach der Verurteilung von Oppositionsführerin Julia Timoschenko sagte Brüssel das Treffen aber ab. Der Präsident müsse aufpassen, dass er nicht zwischen den beiden einflussreichen Blöcken zerrieben wird, warnen Beobachter.

Janukowitsch verbat sich wegen des Prozesses gegen Timoschenko jedenfalls jegliche Einflussnahme von außen. "Wenn sie (Timoschenko) unschuldig ist, wird das (Berufungs-)Gericht sie freisprechen", sagte der Präsident in einem Gespräch mit dem ukrainischen Fernsehen.

Vorerst keine EU-Beitrittsperspektive
Eine EU-Beitrittsperspektive für die Ukraine hätte Janukowitsch gerne in dem geplanten EU-Ukraine-Freihandelsabkommen verankert gesehen, sei damit aber bei Vertretern aus Brüssel abgeblitzt. "Es herrscht der Eindruck vor, dass wir wie Bettler um einen Beitritt bitten", sagte er in dem TV-Interview.

Das besagte Abkommen wurde am Donnerstag zwar unter Anwesenheit des ukrainischen Vize-Premierministers finalisiert. Die EU knüpft ein Inkrafttreten aber an politische Änderungen in Hinblick auf das umstrittene Timoschenko-Urteil. Das Freihandelsabkommen soll nur ratifiziert werden, wenn Timoschenko freigelassen wird, forderte SPÖ-Europaabgeordneter Hannes Swoboda in Brüssel. Das ukrainische Rechtssystem müsse auf europäischen Standards basieren, so Swoboda.

Bringt Streit mit EU Ukraine auf Russland-Kurs?
Moskau frohlocke ob dem Streit zwischen der EU und der Ukraine, schrieb indes die russische Zeitung "Kommersant". Staatschef Dimitri Medwedew umschmeichele seinen ukrainischen Amtskollegen bei einem Treffen am Dienstag (Bilder) und gehe sogar ein Stück weit auf die alte Forderung nach niedrigeren Preisen für russisches Gas ein. Seit seinem Amtsantritt im Februar 2010 verlangt Janukowitsch eine Revision der Verträge - es sind gerade jene Kontrakte, derentwegen Timoschenko verurteilt wurde.

Im Gegenzug wolle Russland das Nachbarland in eine von Moskau geführte Zollunion mit Kasachstan und Weißrussland (siehe Infobox) locken, der nun vermutlich auch Kirgistan beitritt. Bisher sträubte sich die Ukraine gegen eine Vollmitgliedschaft, doch nun kündigte Regierungschef Nikolai Asarow demonstrativ an, eine Aufnahme zu prüfen. 

Swoboda: "Sind in einer stärkeren Position"
Die EU müsse aber nicht befürchten, dass die Ukraine den "russischen Weg" wähle, ist Swoboda überzeugt. Der Großteil der ukrainischen Wirtschaftselite habe Angst, von russischen Oligarchen übernommen zu werden, und die Bevölkerung wünsche sich Visafreiheit zwischen der EU und der Ukraine. "Wir sind in einer stärkeren Position."

In der Ukraine selbst ist man nicht so ganz überzeugt. Vor dem Amtssitz von Janukowitsch protestierten am Donnerstag Demonstranten gegen einen "antieuropäischen Kurs" des Staatschefs. Mindestens sechs Aktivisten wurden festgenommen. Im Parlament spannten Oppositions-Politiker ein Transparent mit dem Schriftzug "Befreit Julia, befreit die Ukraine" auf und blockierten die Budget-Verhandlungen (zweites Bild).

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