Wenn bei AMG 63 draufsteht, ist ein V8 drin. Das gilt auch für den neuen Mercedes-AMG GT 63 S E-Performance. Der hat allerdings ergänzend auch noch einen Elektromotor an Bord, wodurch der Viertürer mit insgesamt 843 PS und 1470 Nm zum stärksten Serien-Mercedes ever wird.
Ein bisschen wirkt er, als würde er vorgeben, sich seine Power nicht anmerken lassen zu wollen. Fast schon dezent ist der Auftritt. Klar, AMG-Front (neu gestaltet), aber nichts Aufdringliches. Nur der rot umrahmte Modelschriftzug am Heck wirkt wie vom Forstinger. Die zwei eckigen Doppelauspuffblenden schauen auf den ersten Blick gut aus, aber dahinter verbirgt sich jeweils nur ein einzelnes Rohr. Und ohne Fake Vents geht es bei AMG wohl nicht.
Sei’s drum. Aber wenn ein Auto mehr als eine Viertelmillion Euro kostet, darf und will man es sich genau anschauen und auch die eine oder andere Stilfrage stellen. Zumal der Big-Bang-Benz jede Menge Style zu bieten hat. Allein die fließenden Linien sind schon sehr elegant.
Fest für Petrolheads
Der Innenraum ist ein Fest für Petrolheads. Schalter mit Displays am megagriffigen Lenkrad fürs DSC-Abschalten und sonstige Dynamikfunktionen trösten über die in wie in allen aktuellen Mercedes-Modellen missratenen Touchelemente an den Speichen hinweg.
Die Mittelkonsole ist von einer Mächtigkeit, die dem Antrieb entspricht. Menütasten, Klimatasten, ein Touchpad, auf dem der Finger virtuell über den Touchscreen fährt. Besonders herrlich ist der Automatikwählhebel, der nicht nur wie ein Handschmeichler in der Hand liegt, sondern mit dem ins Leder geprägten AMG-Wappen auch noch besonders edel aussieht. Damit auf Drive zu schalten hat etwas Monumentales.
E-Motor bleibt auch mit V8 präsent
Im Gegensatz dazu ist der Klang des Antriebs zunächst einmal gar nicht monumental, sondern nur laut. Der Elektromotor an der Hinterachse sirrt vernehmlich und drängt sich sogar dann noch akustisch in den Vordergrund, wenn der Vierliter-Biturbo-V8 seinen Betrieb aufgenommen hat. Der klingt natürlich AMG-like und ist für sich genommen ein Fest für die Ohren. Auf Knopfdruck wählt man die Eskalationsstufe, der Sound wird dann über Klappenauspuff und Lautsprecherzuspielung zusammenkomponiert. Es geht also auch leise.
Anders beim E-Motor, der ist immer laut. Vor allem wenn man vom Gas geht bzw. bremst und er rekuperiert. Das klingt dann wie eine alte Straßenbahn.
Und dann gibst du Gas
Steigt man aufs Gas, glaubt man, die 295er bzw. 265er auf den 20-Zöllern reißen Brocken aus dem Asphalt. Bis zu 1470 Nm verteilen sich über die Neungangautomatik und den Allradantrieb mit vollvariabler Momentenverteilung an die Walzen und pressen den Fahrer in den Sportsitz. 639 PS und 900 Nm kommen dabei vom V8. 2,9 Sekunden vergehen für den Sprint auf Tempo 100, das sind drei Zehntel weniger als ohne die Hybridkomponenten. Mit 316 km/h rennt er einen Stundenkilometer schneller als der reine Verbrenner.
Ganz nebenbei rechnet sich der WLTP-Verbrauch auf 7,9 statt 13,5 l/100 km herunter. Das ist an Absurdität kaum zu überbieten, denn die „High Performance Batterie“ bietet mit ihren 6,1 kWh Kapazität gerade einmal eine elektrische Reichweite von offiziell 13 Kilometer. In echt ist es etwa die Hälfte, man kommt also nicht weit, zumal ab einem SOC von 25 Prozent der Elektromodus nicht mehr verfügbar ist. Aber es reicht, um beim Normverbrauchstest zu glänzen. Im Alltagsbetrieb wurden daraus 14 Liter.
Im Kofferraum des Testwagens liegen zwar zwei Boxen mit Ladekabeln, die werden aber in der Realität schnell im Keller verschwinden. Warum sollte man für das bisschen Strom anstecken? Geladen wird der Akku ja auch über den Motor. Man muss schon so ehrlich sein zuzugeben, dass man schlicht die 150 kW/204 PS des E-Motors will und es einem egal ist, wo der Strom dafür herkommt.
Doch ist es das wirklich wert?
Der Testwagen bringt laut Typenschein 2354 kg auf die Waage, das DIN-Gewicht liegt bei 2305 kg. Ohne E-Antrieb stehen 2060 kg im Datenblatt, also 245 kg weniger! Das merkt man natürlich in Kurven und beim Bremsen. Klar, das AMG Ride Control+ Fahrwerk lässt viele der Kilos gefühlt verschwinden, die Carbon-Keramik-Bremsanlage ist der schieren Masse absolut gewachsen und der Bolide pfeilt herrlich auch um enge, schnelle Kurven herum.
Aber eine Vierteltonne beeinträchtigt objektiv betrachtet die Agilität, während die um ein paar Zehntel bessere Längsperformance vor allem im Datenblatt zum Tragen kommt. Will man sich das wirklich mit dem Dauersirren des Elektromotors erkaufen, das sogar den V8 übertönt? Trotz Soundzuspielung? Weil Mercedes von Formel-1-Technik spricht?
Ein Argument fehlt noch: der Preis. In der Plug-in-Hybrid-Version ist der AMG 63 S um mehr als 13.000 Euro billiger als der reine Verbrenner. 247.846,16 Euro stehen 261.281,65 Euro gegenüber. Dabei kostet der Hybrid netto sogar 23.000 Euro mehr als der GT S ohne E-Performance. Der Grund: Für den PHEV werden nur 16 Prozent NoVA fällig, sonst sind es 39 Prozent.
Fahrzit
Unterm Strich werden in dieser Preis- und Einkommensklasse 13.000 Euro wohl kaum ins Gewicht fallen. Vielmehr kann man sich vom Stammtischwert der 843 PS überzeugen lassen. Doch bevor man das Bestellformular unterschreibt, sollte man den Wagen dringend Probe fahren, denn auch wenn er nur einer von vielen Boliden in der Garage ist, wäre es doch schade, wenn man ihn nicht fährt, weil einem der sirrende Elektromotor auf die Nerven geht.
Wobei man da schon mal nachfragen muss: Hey, Mercedes, warum schafft es z.B. McLaren beim Artura, dass er richtig gut klingt? Dabei mussten die sogar noch mehr aufs Gewicht schauen. Der Mercedes-AMG GT 63 S ist eine tolle Sportlimousine - E-Performance macht ihn nicht erstrebenswerter. Im Gegenteil.
Warum?
Der stärkste Serien-Mercedes ever
Ausgefeiltes Fahrwerk, tolle Lenkung
Warum nicht?
Nervender Elektromotor
Zu schwer
Oder vielleicht …
… Mercedes-AMG GT 63 S, Porsche Panamera Turbo S E-Hybrid
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