Hunderttausende Menschen verzweifeln zusehends an den Lebensmittelpreisen in Österreich - doch Regierung und Handel weigern sich weiterhin, in den Markt einzugreifen. Ein erster Gipfel mit mehr als 40 Teilnehmern am Montag entpuppte sich erwartungsgemäß als ergebnislos. Die Opposition schäumt, spricht Kanzler und Ministern das Misstrauen aus. Doch woran scheitert es eigentlich?
In Deutschland kauft man deutlich billiger ein als bei uns, erkannte jüngst auch Konsumentenschutzminister Johannes Rauch (Grüne) bei einem „Lokalaugenschein“. Für Aufsehen sorgte eine Studie von OeNB und EZB, die sich Supermarktpreise in Deutschland und Österreich für die Jahre 2008 bis 2018 in einem Radius von 60 Kilometern auf beiden Seiten der Grenze angesehen hat. Im Schnitt waren die Preise auf der österreichischen Seite um 13 Prozent höher.
In der gesamten Eurozone sind die Preise im Schnitt um knapp zehn Prozent niedriger als in Österreich.
Mehr Supermärkte, Energie teurer, weniger Volumen, mehr Bio
Was läuft nun etwa in Deutschland anders als in Österreich? So einiges. Allen voran bringt der Handel immer wieder Kosten für „Energie, Miete und Steuern“ ins Spiel. Unterschiedliche Mehrwertsteuersätze, andere Lohnkosten, höhere Transportkosten, mehr regionale und Biolebensmittel in Österreich sowie eine „kleinstrukturierte“ Landwirtschaft. Auch würden internationale Markenkonzerne in Österreich - einem Markt „mit weniger Mengenvolumen“ - weitaus höhere Einstandspreise verlangen als in Deutschland.
Landwirtschaftsvertreter verwiesen außerdem auf die höchste Anzahl an Supermärkten in Österreich im EU-Vergleich pro 100.000 Einwohner. Ein Eingriff in den Markt - etwa Preisbremsen - würden lediglich verzerrend wirken und dazu führen, dass das Geld in anderen Bereichen wieder hereingeholt würde (am Ende immer beim Kunden).
„Erlöse bleiben ganz woanders hängen“
Interessant hier besonders ein Argument der Landwirtschaftskammer: Die Lebensmittelpreise seien unvermindert hoch, während die landwirtschaftlichen Erzeugerpreise deutlich gesunken seien, sagt Josef Moosbrugger, Präsident der Vorarlberger Landwirtschaftskammer. Es müsse nun endlich transparent gemacht werden, wie es genau zu solch hohen Preisen komme. „Die Erlöse bleiben ganz woanders hängen“, gibt sich Mossbrugger im ORF-Radio kryptisch.
Mehrwertsteuer-Senkung „klassische Gießkanne“
Was von Opposition und auch Arbeiterkammer indes immer gefordert wird, wäre ein Nachlass oder etwa die komplette Abschaffung der Mehrwertsteuer - was die ÖVP bisher kategorisch ablehnt. Rainer Trefelik von der Bundessparte Handel erklärte dazu: „Das wäre ein kurzfristiger Effekt, der wohl die Gießkanne ist.“ Ähnlich wischt ÖGB-Chef Wolfgang Katzian das von Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) ins Spiel gebrachte „französische Modell“ vom Tisch, wonach einige Supermärkte freiwillig auf Preissteigerungen verzichten sollten. Das sei ein „Rohrkrepierer“ gewesen bzw. eine „reine Marketingaktion“.
Immerhin: Die Handelskette Hofer gab am Tag des Gipfels bekannt, die Butterpreise zu senken.
Transparente Preisentwicklung als großer Eingriff
Zumindest der Ruf nach mehr Kontrolle und Transparenz dürfte erhört werden. Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will erklärte nach dem Gipfel, man werde online die 20 bis 30 günstigsten Eigenmarkenprodukte für die Bevölkerung noch einmal hervorheben. Außerdem werde man diese Produkte auch an das Konsumentenschutzministerium melden. Klingt simpel, stellt für den Handel aber schon einen großen Einschnitt dar. Noch vor dem Gipfel hatten sich Branchenvertreter massiv gegen solche Ausschilderungen gewehrt.
Energiekosten größter Knackpunkt
Bei der Lebensmittelverschwendung gebe es ebenfalls noch Ansatzpunkte zur Verbesserung, ist zu hören. Im Gegenzug erhofft man sich allerdings Versprechen seitens der Regierung über einen Energiekostenzuschuss - der wohl größte Knackpunkt bislang.
Trefelik sprach die Energiekosten bei Ö1 direkt an. An der Börse würden die Preise sinken, aber sowohl bei Händlern als auch Konsumenten würde das nicht ankommen. „Wir müssen das Problem an der Wurzel packen: Die Energiepreise müssen runter. Entlang der gesamten Wertschöpfungskette, dann haben wir eine Chance, dass wir die Kosten auf vielen Ebenen runterbringen.“
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