Ein Jahr, 100 Prozent. Es war in der stickigen Grazer List-Halle vor genau einem Jahr. Corona noch ein großes Thema, aber der ziemlich frischgebackene Bundeskanzler Nehammer schleuderte in den Parteitags-Saal: „So viele in einem kleinen Raum heißt auch, so viele Viren - aber jetzt kümmert es uns nicht mehr“. Nicht bekannt ist, wie hoch die Quote jener Delegierten und Gäste ist, die sich an diesem Tag mit Corona infizierten. Bekannt ist dagegen, mit welcher Quote Nehammer zum neuen Parteichef gewählt wurde: 100 Prozent! So viel hatte keiner zuvor erreicht, kein Wolfgang Schüssel, der in Graz eine zündende Rede hielt, nicht einmal Sebastian Kurz, der dortselbst einen eher müden Bühnenauftritt hinlegte. Als Beobachter konnte man sich damals angesichts der so zur Schau getragenen Hinwendung zu Nehammer nicht des Eindrucks erwehren, da schreie man so laut im symbolischen Wald, um sich nicht noch mehr - vor der Zukunft - fürchten zu müssen. Vor der Zukunft fürchten sich die Türkis-Schwarzen allerdings auch ein Jahr später. Die Nehammer-Bilanz gilt als durchwachsen. Einerseits attestiert man ihm, er arbeite solide, andererseits sehen ihn viele als wenig mitreißenden, wenig modernen Politiker. Für viele auch in der Partei ist er mehr Mitterlehner als Kurz, was gar nicht wenige mehr als Kompliment denn als Kritik verstanden haben wollen. Mehr Mitterlehner - das gilt freilich auch für die Zustimmung in der Bevölkerung. Von den Kurzschen 37 Prozent ist die Nehammer-ÖVP meilenweit entfernt. Aber bis zu den Wahlen, versichert der Bundeskanzler, vergehen ja noch eineinhalb Jahre. Da kann sich viel drehen. Man wird sehen.
Österreich extrem. Nicht nur die politische Landschaft in Österreich verlagert sich zusehends an die Ränder. Das haben wir ja jüngst unter anderem in Salzburg erlebt, wo sowohl die Freiheitlichen am rechten wie die Kommunisten am linken Rand erdrutschartig dazugewannen und die Mitte ausdünnten. Nun schlagen die Staatsschützer in die selbe oder zumindest ähnliche Kerbe. Ihr Befund: Der Extremismus nimmt in alle Richtungen zu. Mehr Fälle von Rechtsextremismus, mehr auf der linken Seite, dazu die sogenannten Staatsverweigerer und Islamisten - eine ungustiöse, mitunter gefährliche Gemengelage. Wer trägt die Verantwortung für das Aufblühen der Ränder? Nicht allein die Menschenfänger dort, da werken schon einige aus der (echten oder angeblichen) Mitte mit - manche unbewusst, andere möglicherweise mit Kalkül. Wenn es tatsächlich so wäre, dann wäre das ein übles Spiel!
Kommen Sie gut durch den Samstag!
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.