„Krone“-Interview

Sozialminister ist wütend auf den Handel

Politik
13.05.2023 18:13

Frivol nennt Sozialminister Johannes Rauch von den Grünen die Haltung der Lebensmittelkonzerne. „Wir ziehen jetzt im Lebensmittelbereich die Schrauben an. Es hat mich wirklich erbost, wie hart dort die Widerstandshaltung war und es vom Handel keinerlei Bereitschaft zum Einlenken gab“, sagt Rauch im „Krone“-Interview.

„Krone“: Wie zufrieden sind Sie mit den Maßnahmen der Regierung gegen die Armut?
Johannes Rauch: Einmalzahlungen werden schlecht geredet, aber es ist Geld, das ankommt. Maßnahmen wie die doppelte Familienbeihilfe und das Schulstartpaket helfen den Menschen sehr. Und ich habe darum gekämpft, dass Familien- und Sozialleistungen an die Inflation angepasst werden.

Warum senken Sie nicht die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel? 
Wir ziehen jetzt im Lebensmittelbereich die Schrauben an. Es hat mich wirklich erbost, wie hart dort der Widerstand war und es vom Handel keinerlei Bereitschaft zum Einlenken gab. Dort werden wir jetzt mit dem Wettbewerbsrecht und verschärften Kontrollen wirklich hineinfahren. Eine Mehrwertsteuer-Senkung ist die Ultima Ratio. Auch die Experten sind sich nicht einig, wie zielgerichtet das ist und es stellt sich die Frage, wie wir sicherstellen, dass das an die Kunden weitergegeben wird.

Haben die Experten damit recht, dass es in Österreich zu wenig Wettbewerb im Lebensmittelhandel gibt? 
Absolut. Wir haben in Österreich eine Marktkonzentration, wie es sie sonst nirgends in Europa gibt. Wir versuchendas Problem von mehreren Seiten anzugehen: über Transparenund das Wettbewerbsrecht. Ich bin davon überzeugt, dass diese Maßnahmen wirken werden. Alleine die Ankündigung hat schon zu Bewegung bei den Preisen geführt.

Verdienen die Lebensmittelkonzerne in Österreich mehr als jene in Deutschland, wo die Preise deutlich niedriger sind?
Das kann ich so nicht sagen, weil die Zahlen hier nicht transparent sind. Aber es ist evident, dass die Preise bei uns in manchen Bereichen um zehn bis 20 Prozent höher sind als in Deutschland. Das kann es nicht sein. Das subjektive Gefühl, dass man für manche Produkte an der Supermarktkassa 20 bis 30 Prozent mehr zahlals letztes Jahr, ist richtig. Daher halte ich den Unmut der Menschen für berechtigt. Dass die Lebensmittelkonzerne zuerst einen Energiekostenzuschuss verlangen, um über niedrigere Preise zu reden, halte ich wirklich für frivol.

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Dass die Lebensmittelkonzerne zuerst einen Energiekostenzuschuss verlangen, um über niedrigere Preise zu reden, halte ich wirklich für frivol.

Johannes Rauch

Stimmt es, dass auch die Landwirte nicht von den hohen Einkaufspreisen profitieren?
Ja. Die Abhängigkeit der Bauern vom Lebensmittelhandel ist groß. Dort wird extrem Druck aufgebaut. Wenn bei den Bauern die Preise gedrückt werden, die Endkunden aber weiter höhere Preise zahlen, bleibt die Differenz wohl bei den Lebensmittelkonzernen.

Preise in Österreich sind höher als in Deutschland (Bild: DENIS STANKOVIC, stock.adobe.com)
Preise in Österreich sind höher als in Deutschland

Sie haben Nachbesserungen bei Familien mit Kindern angekündigt. Ist das ausreichend, um Armut wirklich zu mildern oder verhindern? Wie hoch wird diese Hilfe ausfallen?
Kinderarmut ist für mich derzeit das wichtigste Thema. Ich kann noch keine Zahlen nennen, wir sind noch in den Verhandlungen. Aber es wird eine spürbare Unterstützung sein, die wahrgenommen werden wird. Und ich kann jetzt schon ankündigen, dass es das Schulstartpaket auch dieses Jahr geben wird.

Warum hat die Regierung nicht mehr gegen hohe Mieten gemacht? Wird hier noch etwas kommen?
Wir haben mit dem Wohnschirm verhindert, dass 15.000 Menschen delogiert werden oder dass ihnen Strom und Heizung abgedreht wird. Die Bundesländer hätten die Möglichkeit, noch mehr zu tun - über die Wohnbeihilfe und im gemeinnützigen Wohnbau. Es ist ein ständiges Ringen. Wir bleiben an diesem Thema dran.

Wohnen und Energie belasten Familien am stärksten (Bild: stock.adobe.com)
Wohnen und Energie belasten Familien am stärksten

Stimmt es, dass Arbeit und Leistungen vor Armut schützt, wie das der Kanzler sagt? 
Ich habe jahrelang mit Langzeitarbeitslosen gearbeitet und kann Ihnen sagen, dass die meisten von ihnen keine Arbeit bekommen, weil sie zu alt sind oder körperliche Gebrechen haben. Man soll nicht den Eindruck vermitteln, dass alle in der sozialen Hängematte faul herumliegen. Es mag einen kleinen Teil an Menschen geben, den gibt es überall. Aber der überwiegende Teil macht das nicht. Die sind in einer Notlage, denen geht es beschissen. Wir haben 80.000 Langzeitarbeitslose, von denen manche zwischen Arbeitslosigkeit und Schulungen im Kreis geschickt werden.

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