Auch wenn die Ursachen für das Post-Covid-Syndrom noch immer nicht ganz klar sind, hat nun ein deutsch-österreichisches Forscherteam in Vergleichsuntersuchungen bei Betroffenen eine typische immunologische Charakteristik herausgefunden. Das körpereigene Abwehrsystem gerät offenbar längerfristig aus dem Lot.
„Symptome, die nach einer schweren SARS-Cov-2-Infektion länger zwölf Wochen anhalten, werden als Post-Coronavirus (Covid) Syndrom (PCS) bezeichnet. Die Identifizierung neuer Biomarker zur Vorhersage seines Auftretens oder dessen Verlaufes (...) wären entscheidend“, schrieben jetzt Max Augustin von der Universitätsklinik für Innere Medizin der Universität Köln und seine Co-Autoren, unter ihnen der Wiener Infektiologe Christoph Wenisch (Klinik Favoriten) in „Frontiers in Medicine“ (doi: 10.3389/fmed.2023.1129288).
10 bis 20% spüren Folgen der Infektion
Bei fast 700 Millionen Menschen, welche während der Covid-19-Pandemie weltweit erkrankt sind, kommt nach den Wellen akuter Infektionen Konsequenzen wie Long Covid bzw. dem Post-Covid-Syndrom enorme Bedeutung zu. In der aktuellen deutschen Expertenleitlinie wird die Häufigkeit längerfristig bestehend bleibender Symptome so beschrieben: „Allen Studien gemeinsam ist: Es scheint ein nennenswerter Anteil der Covid-19-Patienten betroffen zu sein. Am Anfang sind es ca. zehn bis 15 von hundert symptomatisch Erkrankten, nach acht Wochen noch ca. fünf und nach zwölf Wochen noch gut zwei von hundert.“ Alle Angaben zu Häufigkeiten seien jedoch mit erheblichen Unsicherheiten verbunden. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht davon aus, dass insgesamt zehn bis 20 Prozent der Covid-19-Betroffenen in irgendeiner Form länger anhaltende Folgen der Infektion verspüren.
Drei Gruppen untersucht
Das deutsch-österreichische Wissenschaftlerteam hat sich an die möglichen Ursachen für Post-Covid herangemacht. Sie beobachteten mit Hightech-Technologien die immunologischen Parameter von drei Gruppen von Personen zwischen April 2020 und Dezember jenen Jahres: 16 Probanden hatten nach Genesung von der akuten SARS-CoV-2-Infektion ein Post-Covid-Syndrom entwickelt (nach sechs Wochen und sieben Monaten). Weitere 16 Erkrankte wiesen weder nach sechs Wochen noch nach sieben Monaten derartige längerfristige Probleme (Abgeschlagenheit, Müdigkeit, Geruchs- und Geschmacksstörungen etc.) auf. Die dritte Gruppe bestand aus zehn Nicht-Infizierten als Kontrolle. Alle Teilnehmer an der Studie waren nicht geimpft, was zu dem damaligen Zeitpunkt (April bis Dezember 2020) ja noch nicht möglich war.
Die Experten untersuchten im Labor mehrfach Status und Subtypenverteilung von Immunzellen und andere Parameter. So wurden im Blut der Probanden auch die Konzentrationen an Immunbotenstoffen (Zytokinen) gemessen. Es zeigte sich dabei, dass bei PCS-Betroffenen offenbar das Immunsystem längerfristig aus dem Lot gerät. Die Wissenschaftler: „Patienten mit PCS wiesen bereits nach sechs Wochen sowie auch sieben Monate nach Auftritt der Symptome eine erhöhte Zahl von auf SARS-CoV-2 spezifisch reagierenden CD4-positiven und CD8-positiven T-Lymphozyten auf, die Interferon Gamma und Tumornekrosefaktor freisetzen (...).“
Gleichzeitig hatten diese Zellen auch das sogenannte CD40-Liganden-Oberflächenmolkül als Marker. Insgesamt spricht das für eine anhaltend hohe Aktivierung des Immunsystems. Erhöhte Tumornekrosefaktor-Werte im Blut gelten auch als Merkmal von entzündlichen Prozessen. Auch sogenannte dendritische Zellen, welche zum Beispiel Antigene aufnehmen und dem Abwehrsystem präsentieren oder für Entzündungsreaktionen wichtig sind, wurden bei den PCS-Betroffenen verstärkt registriert. Auf der anderen Seite, so die Autoren. „Bemerkenswert“ sei aber auch, dass Immunzellen, welche Abwehrreaktionen bremsen sowie das solche Abläufe dämpfende Zytokin Interleukin-4 ebenfalls vermehrt gefunden wurden. Letzteres bremst Entzündungsreaktionen.
Wichtige Hinweise für künftige Forschung
Die Arbeit, so die Autoren, beschreibe jedenfalls Veränderungen der immunologischen Situation zwischen Personen, welche Covid-19 mit oder ohne daraus folgende längerfristige Gesundheitsprobleme überstanden hätten. „Das könnte ein Potenzial für zukünftige epidemiologische Forschungen und zielgerichtete Therapien haben“, heißt es in der Zusammenfassung. Insgesamt zeigten sich aber Hinweise darauf, dass sich die veränderten immunologischen Parameter bei den Post-Covid-Syndrom-Betroffenen mit der Zeit wieder abnahmen.
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