Der Chef der russischen Söldner-Gruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, hat geleakten Dokumenten zufolge der ukrainischen Regierung angeboten, die Positionen russischer Truppen preiszugeben, berichtet die „Washington Post“. Im Gegenzug sollte die Ukraine sich von der belagerten Stadt Bachmut zurückziehen, wo Prigoschins Söldner zu Tausenden sterben. Beging er damit Hochverrat oder war es eine russische List?
Das ungewöhnliche Angebot an seine Feinde machte der Wagner-Boss Ende Jänner, als der blutige Kampf um die ostukrainische Stadt Bachmut bereits seit Monaten tobte. Dafür soll Prigoschin seine geheimen Kontakte zum ukrainischen Militärnachrichtendienst HUR genutzt haben, die er während des Kriegs aufrechterhielt. Das geht der „Washington Post“ zufolge aus Dokumenten des US-Geheimdienstes hervor, die auf der Chat-Plattform Discord veröffentlicht wurden. Um welche russischen Stellungen es sich handelte, geht aus den Akten nicht hervor.
Kiew lehnte Angebot ab
Zwei ukrainische Beamte bestätigten gegenüber der Zeitung, dass Prigoschin mehrmals Kontakt zum ukrainischen Geheimdienst aufgenommen hatte. Kiew habe sein Angebot aber abgelehnt, da es eine Hinterlist gewesen sein könnte. Ob ernst gemeint oder nicht, kein Zweifel besteht daran, dass es in der Schlacht um Bachmut nicht so läuft, wie von Prigoschin gewünscht. Seit Wochen fällt der Söldnerboss mit wütenden Äußerungen auf, beschwert sich über Munitionsmangel und schimpft auf das Verteidigungsministerium. Anfang Mai drohte er gar mit einem Rückzug von der Front in Donezk.
Zuletzt ließ Prigoschin mit einer wütenden Tirade aufhorchen, in der er gegen den Kreml wetterte und dem Generalstab einen demütigenden Rückschlag der russischen Truppen vorwarf. Er schimpfte auch gegen einen „Opa“, der ein „Vollidiot“ sei. Für viele ist damit klar der russische Präsident Wladimir Putin gemeint, auch wenn Prigoschin das abstreitet. Eigentlich ist der Wagner-Chef ein langjähriger Freund und Verbündeter von Putin. Mit dem Versuch, die Leben seiner Söldner gegen jene russischer Soldaten einzutauschen, hat Prigoschin möglicherweise endgültig den Bogen überspannt. Putin könnte sein Handeln als Hochverrat ansehen.
„Haben nichts zu verbergen“
Der Wagner-Chef selbst scheint die Situation auf die leichte Schulter zu nehmen. Von der „Washington Post“ informiert, dass die Dokumente seine Unterredungen mit dem ukrainischen Geheimdienst HUR enthüllen - die auch geheime Gespräche in einem afrikanischen Land beinhalten - schrieb Prigoschin am Sonntag auf seinem Telegram-Kanal: „Ja, natürlich kann ich diese Information bestätigen, wir haben vor den ausländischen Spezialdiensten nichts zu verbergen. Budanow und ich sind immer noch in Afrika.“ Kyrylo Budanow ist der Chef des HUR.
Einem enthüllten Dokument zufolge teilte Prigoschin einem ukrainischen Geheimdienstoffizier mit, dass das russische Militär Probleme mit der Munitionsversorgung habe. Er habe den ukrainischen Streitkräften geraten, einen Angriff auf die Krim zu starten, solange die Moral der russischen Truppen niedrig war, berichtet die „Washington Post“. Anderen Geheimdienstinformationen sei sich Prigoschin der sinkenden Moral seiner Truppen bewusst gewesen. So hätten sich einige Kämpfer dem Befehl widersetzt, rund um Bachmut unter schwerem Beschuss zu operieren, weil sie weitere Verluste befürchteten.
Ukrainischer Vormarsch in Bachmut
Dort rücken laut der ukrainischen Seite nun die Kiewer Truppen vor. Der Vormarsch sei der erste Erfolg der Offensive zur Verteidigung der seit Monaten erbittert umkämpften Stadt, teilte der Kommandant der Bodentruppen, Generaloberst Olexandr Syrskyj, mit. „Der Vormarsch unserer Truppen Richtung Bachmut ist der erste erfolgreiche Offensiveinsatz zur Verteidigung der Stadt“, erklärt er auf dem Telegram-Kanal des ukrainischen Militärs.
„Die vergangenen Tage haben gezeigt, dass wir auch unter solch extrem schwierigen Bedingungen vorrücken und den Feind vernichten können.“ Der Einsatz gehe weiter, erklärte Syrskyj.
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