Frauen und Männer unterscheiden sich nicht nur biologisch voneinander. Sie sind unterschiedlichen psychosozialen Belastungen ausgesetzt und haben verschiedene gesundheitliche Bedürfnisse. Ebenso hat das Geschlecht einen großen Einfluss auf Erkrankungen und Heilungschancen. Das alles unter einem Begriff nennt man geschlechtersensible Medizin oder einfach Gendermedizin. Wie wichtig ist Gendermedizin tatsächlich und wie weit ist diesbezüglich auch Österreich? Darüber hat krone.tv-Moderatorin Raphaela Scharf mit dem Chefarzt der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), Dr. Andreas Krauter, in der aktuellen Ausgabe des Gesundheitsmagazins gesprochen.
In der Gendermedizin geht es unter anderem darum, dass die Geschlechter unterschiedlich sind. Und sie haben auch unterschiedliche gesundheitliche Bedürfnisse. Aber was bedeutet denn dieser Begriff genau? Wie Dr. Krauter anmerkt, ist es allgemein ein unterschätzter Begriff. „Es ist ein viel zu wenig bekannter Begriff. Und es bedeutet, dass das Geschlecht, das eine Person hat, eine Auswirkung dort hat, wo es um Therapie, um Erkrankungen, um mögliche Erkrankungen, um Prävention und Maßnahmen im Gesundheitswesen geht“, so der ÖGK-Chefarzt.
Weitet man den Begriff aus, gehe es zunächst einmal um das genetische Geschlecht. Es gehe dem Experten zufolge
um das Geschlecht der Ausprägung der Keimbahnen: Das heißt also, gibt es einen Hoden oder gibt es einen Eierstock?
um das Geschlecht der Ausprägung, also um die äußeren Merkmale einer Frau und eines Mannes.
um das Geschlecht in der Frage Wie fühle ich mich selbst? Fühle ich mich wohl in meiner Rolle als Mann, als Frau?
und natürlich auch um das Geschlecht, das uns die Gesellschaft zuweist. Also was macht ein Mann? Was macht eine Frau? Wie hat man sich zu verhalten?
Der Chefarzt der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), Dr. Andreas Krauter.
(Bild: krone.tv)
Seit 1980 beschäftigt sich die Medizin mit diesem Thema, weiß Dr. Krauter: „Das wurde in den USA weiterentwickelt und ist dann auch in den 2000er-Jahren nach Österreich gekommen. Wir haben mittlerweile Gott sei Dank zwei sehr gute Lehrstuhlstühle in den Universitäten für Gendermedizin, sowohl in Wien als auch in Innsbruck. Und damit beschäftigen wir uns auch zunehmend in Österreich mit diesem Thema. Aber natürlich, es muss viel geforscht werden, um zu erkennen, was hat hier alles eine Auswirkung. Wie müssen wir Frauen und Männer getrennt betrachten und behandeln?“
Frauen sind anders krank als Männer Frauen sind also in verschiedenen Bereichen anders krank als Männer, angefangen bei den Symptomen. Krauter nennt hier wichtige Fragen wie: Wann entwickelt sich eine Erkrankung, wie entwickelt sie sich, wie kommt sie zum Ausdruck und was muss man auch therapeutisch tun? In welcher Menge kann ich Therapie verschreiben und Medikamente verabreichen uvm. sei zu beachten. „Das ist auch altersabhängig. Also auf alle diese Punkte muss man bei den Gendermedizin achten“, so der ÖGK-Chefarzt.
Das Östrogen schützt in sehr vielen Bereichen in einer ganz wirkungsvollen Form, insbesondere dort, wo es um die Sicherstellung und die Gesunderhaltung der Gefäße geht. Daher haben Frauen laut Krauter zum Beispiel erst viel später - oft ab der Zeit nach der Menopause, wenn der Östrogenschutz zurückgeht - Probleme mit typischen Gefäßerkrankungen, Herzinfarkt, Probleme mit Schlaganfall, mit Nierenfunktion, mit Augenhintergrund usw. Das sei bei Männern anders, hier wirke zwar vorzüglich das Testosteron, das aber nicht diesen großen Schutzeffekt habe.
Es geht auch um unterschiedliche Symptome Der Begriff Gendermedizin umfasst ja eigentlich sehr vieles. Es geht hier nicht nur um Schmerzempfinden oder nur um Krankheitsgefühle, sondern auch um unterschiedliche Symptome. „Wenn wir jetzt zum Beispiel den Herzinfarkt hernehmen, gibt es denn hier auch geschlechtsspezifische Unterschiede, auch im Hinblick auf die Symptome?“, will Moderatorin Raphaela Scharf von Dr. Krauter wissen.
krone.tv-Moderatorin Raphaela Scharf im Gespräch mit dem Chefarzt der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), Dr. Andreas Krauter.
(Bild: krone.tv)
Das gibt es natürlich, so der ÖGK-Chefarzt. „Früher war es so, dass man oft gar nicht so auf den Herzinfarkt der Frau reagiert hat, weil man das nicht so zugeordnet hat. Man hat gesagt: typischer Herzschmerz, brennen in der Brust und damit mache ich eine KG und schaue dann, ob dort eine Veränderung ist. Die Frauen haben in diesem Zusammenhang oft weniger das Brennen in der Brust als Müdigkeit, Erschöpfung, Übelkeit, Erbrechen. Also eine andere Landschaft von Symptomen als Männer. Und daher muss man eben sehr genau darauf schauen.“
Frauen leben in Österreich länger Welches Geschlecht lebt im Allgemeinen länger und wer lebt länger gesund? „Das können wir sagen in Österreich und wir sprechen es auch immer wieder seitens der ÖGK an“, weiß Dr. Krauter: Es sind demnach die Frauen, die eine Lebenserwartung von über 80 Jahren haben, also 83 bis 84 Jahre. „Wir (Männer) haben aber nur 59 gesunde Lebensjahre, und die Frauen haben aber in etwa eineinhalb bis zwei Jahre länger gesunde Lebensjahre als Männer.“
Sein Tipp: Zu den lebenslangen Vorsorgeuntersuchungen gehen und dann auch die Möglichkeiten der Medizin, auch im Rahmen der Gendermedizin, tatsächlich nutzen.
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