Schwere Mängel
Fallen bald russische Linienflugzeuge vom Himmel?
Der Ukraine-Krieg und die Sanktionen haben die russische Zivilluftfahrt hart getroffen. Aufgrund des entstandenen Ersatzteilmangels begannen die Fluggesellschaften, die Sicherheitsanforderungen deutlich zurückzuschrauben. Die Folgen sind fatal: Heute sind alle Passagiere, die mit einem russischen Linienflugzeug unterwegs sind, in Gefahr.
Ohne Technik aus dem Westen sieht Russlands Zivilflotte ziemlich alt aus. Rund 90 Prozent der Passagier- und Frachtmaschinen russischer Airlines wie Aeroflot und S7 stammten von Airbus und Boeing, schilderte Steven Udvar-Hazy, Chef des Flugzeugfinanzierers ALC. Die alten Antonows, Iljuschins und Tupolews aus der Sowjetzeit sind längst ausgeflottet und heutzutage auch nicht mehr konkurrenzfähig.
Internationale Warnung
Seit Beginn der Invasion stellten Boeing und Airbus die Ersatzteillieferung nach Russland ein. Auch die Wartung der Maschinen wird von den Unternehmen nicht mehr durchgeführt. Im September 2022 kam schließlich der erste große Schlag: Die Internationale Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) versah Russland nach einem Sicherheitscheck mit einem Warnzeichen. Weltweit ist das bei nur drei Ländern der Fall: bei Bhutan, Liberia und nun eben bei Russland.
Im Jahr 2022 beförderten russische Fluggesellschaften um die 95 Millionen Menschen. Auch dieses Jahr werden viele weitere Passagiere auf die inländischen Fluglinien setzen. Die Zwischenfälle, die sich mittlerweile häufen, lassen bereits erahnen, welche Katastrophen ins Haus stehen könnten. Das unabhängige russische Journalistennetzwerk „Projekt“ hat nachgeforscht und ist auf einige haarsträubende Geschichten gestoßen.
Probleme bei Wartung
Die Wartung von Flugzeugen ist aufwendig und kompliziert. Man kann die Maschinen, wie „Projekt“ anschaulich erklärt, nicht einfach wie einen alten Lada (ein vom russischen Automobilhersteller AwtoVAZ hergestelltes Fahrzeug - Anm. d. Red.) in die Garage stellen. Der Instandhaltung liegt ein ausgeklügelter und weltweit einheitlicher Standard zugrunde, der die zentrale Basis für Flugsicherheit darstellt.
Nach Kriegsbeginn erhielten alle Purser (leitende Flugbegleiter - Anm. d. Red.) eine E-Mail. Es hieß, dass man ab nun die während des Flugs auftretenden Pannen nicht mehr schriftlich festhalten, sondern nur noch mündlich melden würde. Der Grund ist simpel. Werden die Mängel nicht schriftlich fixiert und sind keine Ersatzteile vorhanden, kann das Flugzeug weiterfliegen - selbst bei schweren Fehlfunktionen, erklärte ein Chefsteward, der über zehn Jahre für Aeroflot gearbeitet hatte.
Unzureichender Sauerstoff an Bord
Ein weiterer Angestellter berichtete, dass im Jahr 2022 ein Pilot nicht dokumentiert hätte, dass nicht ausreichend Sauerstoff in der Maschine vorrätig gewesen sei. Sauerstoff wird benötigt, wenn beispielsweise ein Druckverlust in der Kabine auftritt oder für die medizinische Notfallversorgung. Stattdessen flog er noch von den Vereinigten Arabischen Emiraten nach Moskau und meldete den Mangel erst dann. Früher wäre er nach so einem Fehlverhalten sofort entlassen worden, schilderte der Insider.
Treibstoff strömte aus Motorhaube
Ein ehemaliger Pilot der russischen Fluggesellschaft Nordwind erzählte, dass er im Jänner dieses Jahres mit einer Boeing 737, bei der Treibstoff aus der Motorhaube herausgeströmt sei, in der russischen Stadt Kasan abheben hätte sollen. 190 Passagiere seien an Bord gewesen. Als die Techniker eintrafen, stellten sie den Angaben zufolge fest, dass dies bei der Maschine nicht das erste Mal passiert sei. Im Flugbuch stand jedoch nichts davon.
Keine Toilettenspülung
Auch ist ein Fall bekannt, bei dem eine Maschine etwa sechs Monate lang mit einer defekten Vakuumpumpe flog. Sie wird für das Spülen der Toiletten an Bord benötigt. Die Passagiere hätten daher ihre Notdurft erst aber einer Flughöhe von 5000 Metern verrichten können, bei niedrigerer Flughöhe oder am Boden blieb der „Inhalt“ der Toilette einfach auf seinem Platz. So kurios die Geschichte auch scheint - in der Luftfahrt können selbst kleine Mängel zu furchtbaren Katastrophen führen.
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