Nur 32 Stunden arbeiten, obwohl wir über 200.000 offene Stellen haben? Ein Plädoyer des Wirtschaftskammer-Präsidenten Harald Mahrer gegen die neuesten Enteignungsphantasien, die Forderung nach noch kürzerer Arbeitszeit und die seltsame Illusion von der „Festung Österreich“.
Fünf Jahre ist Harald Mahrer nun Präsident der Wirtschaftskammer Österreich, aber so etwas hat er noch nie erlebt: „Was da an kuriosen Vorschlägen zur Bekämpfung der Inflation gemacht wird, spottet jeder Beschreibung. Ultra-Linke und Ultra-Rechte überbieten sich an Unsinnigkeiten, ich vermisse von der politischen Spitze eine klare Ansage der Vernunft. Höchste Zeit zur Rückkehr zum Hausverstand!“
Im „Krone“-Interview mit dem stv. Chefredakteur Georg Wailand greift der Kammer-Präsident zu deftigen Worten.
Da werde etwa die Idee propagiert: „Arbeiten wir nur mehr 32 Wochenstunden - und das, wo wir zugleich 200.000 offene Stellen haben. Und die werden auch noch um vieles mehr, weil wir in die Demographie-Falle tappen. Es werden uns 300.000 Leute in den Betrieben fehlen. Mehr Wohlstand durch weniger Arbeit? Das Gegenteil ist der Fall: Die fehlenden Mitarbeiter werden zum Wohlstandskiller Nr. 1. Wir sollten in allen Altersstufen, auch bei den Jung-Pensionisten, dafür sorgen, dass die Freude an der Leistung erhalten bleibt - und auch die Netto-Entlohnung adäquat ist.“
Denkt bei den vielen kuriosen Vorschlägen niemand nach, ob das auch realistisch ist?
Harald Mahrer zu chaotischen Diskussionen
Und Mahrer präzisiert: „Die Zeit der angenehmen Unwahrheiten ist vorbei, jetzt kommt die Zeit der unangenehmen Wahrheiten. Der Wohlstand kann nur durch Leistung erhalten werden.“
Das Bild werde jedoch von den Konsum-Trittbrettfahrern verfälscht: „Wer weniger arbeiten will, verhält sich in Wahrheit unsolidarisch anderen gegenüber, etwa in der Sozialversicherung. Dieses System lebt davon, dass jeder seinen Beitrag leistet und nicht, dass man sich auf Kosten der anderen abmeldet.“
Nicht nur linke Träumer regen Mahrer auf, auch der rechte Rand: „Da wird immer die Illusion von der ’Festung Österreich’ propagiert. Dabei leben wir doch in einer weltweit hochvernetzten Wirtschaft, was soll da eine ,Festung Österreich’? Unser Export und unser Tourismus sorgen für zwei Drittel des Wohlstandes - und da will man geschlossene Grenzen?“
Arbeiten wir nur mehr 32 Stunden, obwohl wir 200.000 offene Stellen haben - geht‘s noch?
Harald Mahrer zur Arbeitszeit-Verkürzung
Aber die Wirtschaft ruft doch stets nach mehr Zuwanderung? Mahrer: „Da wird bewusst vermischt zwischen gesteuerter Zuwanderung und Asylwerbern. Ich plädiere dafür, dass Österreich definiert, welche Zuwanderer mit welchen Qualifikationen wir ins Land holen - und dass es sich um Leute handelt, die arbeiten wollen.“
Aber wir zahlen doch zu wenig? „Wenn man zu den Einkommen nach der Steuer die Transferleistungen hinzurechnet, dann gehört Österreich zu den Umverteilungsweltmeistern.“ Das Bild werde nur dadurch verzerrt, dass wir zu den Höchststeuerländern zählen. Mahrer: „Die Enteignungsphantasien mit neuen Eigentumssteuern sollen in die Irre führen, egal, ob das Millionärs- oder Vermögenssteuer genannt wird. Das gibt es ja schon alles: Eine spezielle Immobiliensteuer bei der Weitergabe an Erben, eine Grundsteuer auf Immobilien und eine Besteuerung der Zinsen.“
Die Zeit der angenehmen Unwahrheiten ist vorbei, jetzt kommt die Zeit der unangenehmen Wahrheiten.
Harald Mahrer zum Themenwechsel in der Politik
Bild: Judt Reinhard
So einen Nebel voller wirrer Ideen, nein, das sei kein Zustand auf Dauer. Mahrer: „In der Sozialpartnerschaft prallen bei uns auch die unterschiedlichen Wünsche aufeinander, aber das klären wir intern und unter Beiziehung von Experten. Das wäre schon auch ein System, das beispielhaft für andere sein könnte ...“
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