„Aus Träumen gerissen“

Schallenberg: Können Putin dankbar sein

Politik
16.05.2023 16:27

Außenminister Alexander Schallenberg vergleicht den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine mit einem Erdbeben, dessen tektonische Auswirkungen noch lange anhalten würden. Er zeigte sich aber bei der internationalen Konferenz „Time to Decide Europe Summit“ in Wien zuversichtlich, dass Europa aus dieser Krise sogar stärker hervorgehen werde. Der Westen könne Wladimir Putin sogar „in gewisser Weise dankbar“ sein, resümierte der Minister.

„Er hat uns aus unseren Tagträumen gerissen und zurück in die Geschichte gepusht. Zur selben Zeit hat er uns galvanisiert, er hat uns gezwungen, das Weltgeschehen anders zu sehen“, so Schallenberg. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine gebe es kein Zurück zum „Status quo ante“. Allerdings: „Die Lichter sind nicht ausgegangen in Europa“, verwies der ÖVP-Politiker auf die Widerstandsfähigkeit der EU.

„Wir müssen Sprache der Macht lernen“
Schallenberg zitierte den EU-Außenbeauftragten Josep Borrell mit den Worten, dass Einheit nicht ausreichend sei, „wir müssen die Sprache der Macht lernen“. Die „wichtigste Hausaufgabe“ der EU sei es, „die Nachbarschaft zu verankern“. Dies gelte für den Westbalkan, aber ebenso für die Ukraine und Moldau, so Schallenberg. „Der Westbalkan ist nicht unser Hinterhof, er ist unser Center Court“, sagte er unter Verwendung der Bezeichnung für den Hauptspielplatz eines Tennisturniers. Die Erweiterung sei auch kein legalistischer Ansatz, sondern „unser wichtigstes geostrategisches Instrument“. Für Schallenberg ist die EU-Erweiterung um die Westbalkanstaaten „der Lackmustest“. Sollte die EU hier scheitern, würde sie an Glaubwürdigkeit verlieren.

Frontex-Beamte an der serbisch-bulgarischen Grenze (Bild: APA/AFP/Nikolay DOYCHINOV)
Frontex-Beamte an der serbisch-bulgarischen Grenze

Schallenberg warnte die Europäer zugleich davor, zu egozentrisch zu sein. Das Narrativ, dass es beim Krieg in der Ukraine um einen Kampf zwischen liberalen Demokratien gegen die Autokratie oder zwischen Gut und Böse gehe, werde von vielen Staaten des globalen Südens nicht geteilt. Schwarz-Weiß-Denken und „moralische Fingerzeige“ würden nur das russische Narrativ vom europäischen Imperialismus unterstützen, so der Konferenz-Gastgeber.

Die Konferenz „Time to Decide Europe Summit“ findet heuer zum zweiten Mal in Wien statt. Die erste Konferenz stand 2022 im Lichte des russischen Angriffs auf die Ukraine. Sie wird von der ERSTE-Stiftung und vom Institut für die Wissenschaften vom Menschen (IWM) organisiert.

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