Lob von NGOs

Armut: Regierungspaket „erster wichtiger Schritt“

Politik
17.05.2023 14:26

Arbeit und Leistung würden Armut verhindern - mit dieser Aussage in der aktuellen Debatte um Teuerung und Armut sorgte Kanzler Karl Nehammer in der Vorwoche für Aufregung. Experten weisen darauf hin, dass viele Menschen trotz Erwerbstätigkeit von Armut betroffen sind. Das am Mittwoch von der Bundesregierung vorgestellte neue Entlastungspaket für finanziell schwächere Familien und Sozialhilfeempfänger hat bei NGOs und Opposition für sanftes Lob - aber auch für zahlreiche weitere Forderungen gesorgt.

Gewürdigt wurde ein „erster wichtiger Schritt“. So zeigte sich Caritas-Präsident Michael Landau erfreut, dass bei dem Paket „endlich Kinder im Fokus stehen und hier Menschen und Familien, die über besonders wenig Einkommen verfügen, besonders zielgerichtet geholfen wird“. Das ist ein erster wichtiger Schritt für Kinder und Familien, ergänzt Klaus Schwertner, Direktor der Caritas Wien. Klar sei aber auch, dass trotz der Erhöhungen und der Maßnahmen viele Menschen und Kinder weiter unter der Armutsgefährdungsschwelle bleiben werden. „Diese heute präsentierten Maßnahmen können also nicht alles sein“, so die Caritas in einer Aussendung.

Caritas-Präsident Michael Landau (Bild: APA/HELMUT FOHRINGER)
Caritas-Präsident Michael Landau

Ähnlich kommentierte die Diakonie die Maßnahmen: „Die heute auf den Weg gebrachten Unterstützungen für armutsbetroffene Kinder helfen im Alltag der Teuerungen, auch wenn sie eine grundlegende Reform der schlechten Sozialhilfe und eine Verbesserung der Arbeitslosenversicherung nicht ersetzen“. Auch Volkshilfe-Direktor Erich Fenninger zeigte sich erfreut, betonte aber ebenfalls, dass die Maßnahmen gegen die Teuerung nicht strukturelle Reformen ersetzen - etwa beim Arbeitslosengeld.

Die neuen Maßnahmen im Überblick

  • Zuschuss für Familien
    Anspruch auf zusätzliche 60 Euro pro Kind und Monat haben den Plänen zufolge Familien dann, wenn in der Familie Arbeitslosengeld, Notstandshilfe, Sozialhilfe oder Ausgleichszulage bezogen wird. Dies gilt laut Sozialministerium auch dann, wenn etwa ein Elternteil über ein Einkommen verfügt, das andere aber Arbeitslosengeld oder eine andere der genannten Sozialleistungen bezieht. Ebenso anspruchsberechtigt sind Alleinerzieher sowie Alleinverdiener mit Einkommen, sofern dieses 2000 Euro brutto pro Monat nicht überschreitet. Die Altersgrenze betreffend der Kinder liegt jeweils bei 18 Jahren.
  • Zuschuss für Sozialhilfeempfänger
    Sozialhilfeempfänger erhalten - auch ohne minderjährige Kinder - ebenfalls 60 Euro mehr. Diese Leistung wird allerdings bis Ende 2023 befristet sein.
  • Auszahlung
    Die Auszahlung erfolgt automatisch - entweder über den Bezug der jeweiligen Sozialleistungen oder bei Alleinerziehern/-verdienern über das Finanzministerium. Antrag auf diese Leistungen ist keiner nötig.
  • Hilfen für Schüler
    Das Schulstartpaket „Schulstartklar“ wird ausgeweitet. Für Kinder, die in einem Haushalt leben, der Sozialhilfe oder Mindestsicherung bezieht, bekommen Anspruchsberechtigte künftig statt 120 Euro 150 Euro ausbezahlt. Außerdem wird diese Summe nicht wie bisher einmal, sondern zweimal pro Jahr gewährt.
  • Lernplattform
    Auch die Lernplattform weiterlernen.at, über die sozial benachteiligten Kindern und Jugendlichen kostenfrei Zugang zu Lernhilfen durch NGOs und Lehramtsstudierende ermöglicht werden, wird ausgeweitet und finanziell besser ausgestattet.

Das Rote Kreuz stieß ins selbe Horn: „Die bisherigen Einmalzahlungen der Bundesregierung haben den Betroffenen zwar temporär geholfen, ein nachhaltiger Effekt ist aber nicht zu spüren. Jetzt ist es an der Zeit, dass sich die Politik langfristige Lösungen und Strukturen überlegt“, so die Hilfsorganisation in einer Aussendung.

Als „unzureichend“ bezeichnete das Paket der Gewerkschaftsbund. „Wesentliches fehlt“, sagte ÖGB-Vizepräsidentin und Frauenvorsitzende Korinna Schumann in einer Aussendung. „Der Familienzuschlag für Arbeitslose ist seit Ewigkeiten nicht valorisiert worden. Zudem muss das Arbeitslosengeld dringend auf 70 Prozent der Nettoersatzrate erhöht werden. Hier braucht es dringend Absicherung gegen Armut.“

AK-Chefin: „Kleines Pflaster auf große Wunde“
Seitens der Arbeiterkammer erklärte Präsidentin Renate Anderl, es sei „gut, dass die Regierung hier in die Gänge kommt“. Sie kritisierte aber u.a., dass das Paket befristet ist. „Es ist ein kleines Pflaster auf eine große Wunde.“ Für nachhaltige Armutsbekämpfung brauche man „mehr als Geld“: „Sachleistungen wie Kinderbildung und -betreuung müssen ausgebaut werden“, so Anderl.

Arbeiterkammerpräsidentin Renate Anderl (Bild: APA/GEORG HOCHMUTH)
Arbeiterkammerpräsidentin Renate Anderl

Erfreut zeigte sich WIFO-Chef Gabriel Felbermayr: „Sehr positiv & hilft. Fokus auf Kinder ist genau richtig, weil zielgerichtet“, schrieb er via Kurznachrichtendienst Twitter. „Der nächste Schritt könnte sein, dauerhafte Lösungen zu finden, damit Kinderarmut erst gar nicht entsteht“, sprach auch er strukturelle Reformen an.

SPÖ bedauert: „Wieder kein Markteingriff“
Für die SPÖ verging erneut ein Tag, „ohne dass die Inflation bekämpft wird“, wie Sozialsprecher Josef Muchitsch betonte. Parteichefin Pamela Rendi-Wagner bemängelte: „Wieder kein Markteingriff, um die Preise zu senken. Wieder versucht die Regierung heute nur, die Symptome zu lindern.“

SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner vermisst weiterhin die Bekämpfung der Wurzeln es Problems. (Bild: APA/EVA MANHART)
SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner vermisst weiterhin die Bekämpfung der Wurzeln es Problems.

„Kein Grund zum Feiern“ für FPÖ
„Keinen Grund zum Jubeln“ sah am Mittwoch auch FPÖ-Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch. Aufgrund der Rekordteuerung seien nicht mehr nur sozial Schwache in ärgster Bedrängnis, sondern immer öfter auch Familien, die dem Mittelstand zuzurechnen waren.

Dagmar Belakowitsch (FPÖ) (Bild: APA/HANS PUNZ)
Dagmar Belakowitsch (FPÖ)

NEOS sehen „treffsichere Hilfen“
Die NEOS lobten, dass die Regierung „diesmal die Gießkanne nicht ausgepackt hat“. Familiensprecher Michael Bernhard sprach von „treffsicheren Hilfen, die wirklich dort ansetzen, wo sie dringend gebraucht werden“. Strukturelle Reformen stehen bei den Pinken aber ebenfalls weiterhin auf der Forderungsliste.

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