„Krone“-Reporter Robert Fröwein flaniert durch die Stadt und spricht mit den Menschen in Wien über ihre Erlebnisse, ihre Gedanken, ihre Sorgen, ihre Ängste. Alltägliche Geschichten direkt aus dem Herzen Wiens.
Die Ärzte warnen bereits vor temporären Ausfällen der Notaufnahme in der Klinik Ottakring, Patienten in Spitälern liegen auf überfüllten Gängen oder werden brüsk abgewiesen, Ärzte und medizinisches Personal leiden an Überlastung und wissen nicht mehr weiter. Corona spielt im öffentlichen Diskurs ohnehin nur mehr eine untergeordnete Rolle und auf saisonale Phänomene wie eine Grippewelle kann ob der zig Baustellen im Gesundheitssystem gar nicht mehr genau geachtet werden. Während der österreichische Bundeskanzler einen „Autogipfel“ nach dem anderen veranstaltet, brennt es im heimischen Gesundheitswesen lichterloh. Ärzte und Experten warnen vermehrt vom Zusammenbruch des Systems und appellieren, radikal für Verbesserungen zu sorgen.
Persönliche Erfahrungen zeigen auf, wie schlimm es wirklich um den Status Quo bestellt ist. Florian ist beruflich in der Grafikbranche tätig und sorgt dafür, dass Hochglanzmagazine und Werbesujets von Unternehmen den Konsumhunger im Kunden erwecken. Seine Tätigkeit ist diametral anders als jene seiner Frau Sandra, die seit einigen Jahren in der mobilen Pflege tätig ist und schon länger unter den Alltagsbelastungen leidet. Nicht nur mental ist der Job mit bettlägerigen und kranken Menschen schwierig zu bewerkstelligen, auch rein physisch müssen oft übermenschliche Kräfte aufgebracht werden, um den jeweiligen Patienten kompetent und würdevoll zu betreuen. Doch verschiedene Faktoren machen die Arbeit immer schwieriger.
Auf immer mehr Patienten kommen immer weniger Pfleger, die dann in enormen Zeitstress geraten und ihre Tätigkeit auch nicht mehr so akribisch ausführen können wie gewohnt. „Dazu kommt oft noch das Missmanagement der Firmenleitung“, erzählt mir Florian im Gespräch, „meine Frau hat eine Patientin im Vierten Bezirk und eine im Dritten. Eine Kollegin von ihr hat mit zwei anderen Patientinnen dieselbe Bezirkskonstellation. Dass sie einfach tauschen und sich somit Fahr- und Arbeitszeit sparen, kommt aber nicht infrage. Dann heißt es von oben gleich, man wisse es sowieso besser und sie sollten sich lieber auf die Arbeit konzentrieren.“ Durch die Personalnot und den Stress können auch Besuchspläne nicht gehalten werden. „Manche kriegen Medikamente in viel zu kurzen Abständen oder warten zu lange darauf, weil die Pfleger nicht verfügbar sind.“
Um aus der allgemeinen Misere herauszukommen, bedarf es einer Kraftanstrengung von allen Seiten. Vor allem müssten aber Gesetzgeber und Regierende die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass man sich als kranker, verletzter oder pflegebedürftiger Bürger nicht voller Angst und Unsicherheit der Zukunft nähern muss. Dasselbe gilt auch für das medizinische Personal. „Meine Frau kommt oft völlig entkräftet nach Hause. Sie liebt ihren Job, aber die Bürokratie und das System legen ihr Steine in den Weg. So viele, dass die Leidenschaft für die Menschen langsam auch zurückgeht.“ Sandra steht exemplarisch für ein an der Kippe stehendes System, das derzeit nur noch überlebt, weil Passion und Berufsethos bei vielen an oberster Stelle stehen.
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