Die einen haben Geld im Überfluss, andere kämpfen in Zeiten wie diesen ums finanzielle Überleben. Rund 125.000 Menschen in Tirol sind von Armutsgefährdung betroffen. Andreas Exenberger von der Uni Innsbruck spricht im Interview über die Schere zwischen Arm und Reich, Lösungsansätze, um Armut zu bekämpfen, und ob man auch ohne Erbe reich werden kann.
„Krone“: Wie definiert man Armut und Reichtum?
Andreas Exenberger: Beim Reichtum ist es schwierig. Es gibt zwei Wege zur Bemessung: Wer vom Medianeinkommen weniger als 60 Prozent hat, gilt vom Einkommen her als armutsgefährdet. In Tirol liegt das Durchschnittseinkommen bei 26.000 Euro jährlich. Die Armutsgefährdungsschwelle liegt also bei 1330 Euro zwölfmal pro Jahr. Der zweite Weg ist eine europaweite Umfrage, die jedes Jahr gemacht wird. Zum Beispiel, ob man sich ein Auto leisten kann, den Zugang zum Internet, die Möglichkeit hat, Freunde zum Essen einzuladen, die Möglichkeit, in den Urlaub zu fahren, oder unerwartete Ausgaben zu begleichen. Bei der letzten Frage sagt ein Fünftel der Befragten Nein. Beim Reichtum gilt: Wer 180 Prozent des Medianeinkommens verdient, gilt als wohlhabend. Wobei das eine schwache Definition ist. Reichtum hat mit Vermögen und nur sekundär mit Einkommen zu tun. Eine einfache Zahl gibt es nicht. Allerdings zeigt die letzte Erhebung, dass sechs Prozent der österreichischen Haushalte ein Vermögen von mehr als einer Million Euro haben.
Wie weit klafft die Schere zwischen Arm und Reich in Österreich auseinander?
Es kommt darauf an, wie sie gemessen wird. Dazu müsste jemand hergehen und die drei Faktoren Einkommen, Vermögen und Ausgaben gemeinsam betrachten. Dann würde man auch die spezifischen Problembereiche und die Betroffenheit sehen. Österreich steuert hier auch zu wenig dagegen. Alle Steuervorschläge, die es gibt, werden politisch abgeschmettert. Mit einer Besteuerung von Leuten, die mit der Leistbarkeit dieser Besteuerung keine Probleme hätten, könnte man eingreifen. Bei der Vermögensverteilung sind wir in Österreich ungefähr dort, wo die USA oder die Schweiz sind. Hier haben wir ein echtes Problem. Bei der Einkommensverteilung wird durch den Sozialstaat doch sehr viel abgefedert.
Ist die Anzahl der Personen an und unter der Armutsgrenze in unserem verhältnismäßig reichen Land zu hoch?
Das ist fast schon eine ideologische Frage. Ist das nicht immer zu hoch? Ein Staat sollte das Ziel haben, dass es Armut gar nicht erst gibt. Gewisse Dinge - etwa vorübergehende Arbeitslosigkeit - sind natürlich nicht vermeidbar. Zur Gänze wird man Armut also nicht verhindern können. Man könnte aber viel mehr tun, um gewisse Phänomene zu vermeiden. Obdachlosigkeit zu verhindern, wäre sicherlich machbar, oder dass Kinder in armutsgefährdenden Verhältnissen aufwachsen.
Ein Herr Mateschitz wurde nicht reich geboren, der hat Glück gehabt, dass seine Geschäftsidee zur richtigen Zeit kam.
Andreas Exenberger
Wie viele Tiroler sind denn eigentlich armutsgefährdet?
Je nachdem, wie man es misst, sind es rund 15 Prozent. In Tirol waren es im letzten Bericht - also noch vor der Inflation - rund 100.000 Personen, die einkommensarm sind und 125.000, auf die eine Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdung zutrifft.
Wie glauben Sie, dass sich die Schere in den nächsten Jahren entwickeln wird?
Das kommt darauf an, wie man entgegensteuert. Wir erleben immer mehr das Problem der „Working Poor“. Die Leute sind leistungswillig und leistungsfähig, aber sie haben ein Einkommen, das hinten und vorne nicht reicht. In Tirol fallen rund 25.000 Personen unter die Definition der „Working Poor“.
Was wären Ihrer Meinung nach die Lösungsansätze, um Armut zu bekämpfen?
In Österreich hatten wir mit der Mindestsicherung ein durchaus vernünftiges Mittel. Die bräuchten wir statt der Sozialhilfe. Zweitens muss die Grundhaltung lauten, dass Unterstützung angeboten wird und nicht, dass sich die Leute der Hilfe als würdig erweisen müssen. So wird es beim Amt nämlich oft erlebt, selbst wenn es um einen Rechtsanspruch geht. Dritter Punkt ist, dass man die Lebensverhältnisse stabilisieren muss, damit eine Basis geschaffen wird, von der aus eine Entwicklung wieder möglich ist.
Muss man in Österreich reich geboren werden, um reich zu werden bzw. zu sein?
Um wirklich reich zu sein, muss man entweder reich geboren sein oder man hat Glück. Ein Herr Mateschitz wurde nicht reich geboren, der hat Glück gehabt, dass seine Geschäftsidee zur richtigen Zeit kam. Wer reich geboren wird, kann kaum aus dieser Klasse fallen. Sich aus der Armut zu befreien, ist hingegen nicht einfach.
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