Die designierte Intendantin Andrea Vilter und ihre Chefdramaturgin Anna-Sophia Güther präsentierten am Dienstag das Programm für ihre erste Saison am Grazer Schauspielhaus. Sie befragen den Kanon, suchen nach neuen Klassikern und starten ein Festival für digitale Theaterformen. Eröffnet wird ihre Debütsaison mit dem Stück einer (weitgehend unbekannten) Zeitgenossin von Goethe und Schiller.
Welches Stück gilt als Klassiker - und warum schaffen andere es nicht in den Kanon? Diese Frage stellt Andrea Vilter als Neo-Intendantin des Grazer Schauspielhauses ins Zentrum ihrer Arbeit. Am Dienstag stellte sie Anna-Sophia Güther als ihre Chefdramaturgin vor und präsentierte mit ihr den Spielplan für ihre erste Saison in Graz.
Startschuss mit einem „Frauenzimmer“
Schon die Eröffnungsproduktion darf als Beweis dafür gelten: Mit dem Stück „Von einem Frauenzimmer“ steht die Uraufführung eines Stückes aus dem 18. Jahrhundert auf dem Programm. Warum wurde es bis jetzt noch nie gezeigt? Es stammt von einer Frau! Christiane Karoline Schlegel war Zeitgenossin von Goethe und Schiller. „Es ist ein bürgerliches Trauerspiel, das einen Femizid aus dem Blickwinkel einer Frau erzählt“, schildert Vilter. Viel zeitgenössischer kann ein fast 250 Jahre altes Stück eigentlich kaum klingen.
Gefolgt wird die Preziose von einer Österreichischen Uraufführung von „Sonne/Luft“ von Elfriede Jelinek, die Vilter als „eine der prägendsten Autoren meines Werdegangs“ bezeichnet - neben Werner Schwab, den sie auch am Spielplan hat. Zudem ist ein Stück von Maria Lazar, einer jüdischen Autorin der Zwischenkriegszeit, die gerade wiederentdeckt wird, geplant. Und mit „Prima Facie“, das in London von Kritik und Publikum gefeiert wurde, bringt man einen der aktuell begehrtesten Theatertexte nach Graz.
Zwei „klassische“ Klassiker stehen mit „Leonce & Lena“ und „Der Zerrissene“ auf dem Plan, die jedoch in modernen Bearbeitungen zu sehen sein werden. Für den Nestroy wird die steirische Autorin Ulrike Haidacher Couplets schreiben.
Aus Haus 2 wird ein „Schauraum“
Auch eine Dramatisierung von Haidachers gefeiertem Roman „Die Party“ steht auf dem Programm - und zwar im neuen „Schauraum“, wie die Probebühne künftig heißen wird: „Wir werden den Raum umgestalten, eine Bar einbauen und wollen dort eine noch intensivere Begegnung mit jungen Autorinnen und Autoren und experimentelleren Formaten ermöglichen“, erklärt Vilter. Gestartet wird mit einer Mini-Serie nach Ovids „Metamorphosen“. Den steirischen Regisseur Felix Hafner konnte man für eine „politische Abrechnung mit Österreich“ gewinnen.
Neue „Konsole“ für digitale Formate
Völlig neu aufgestellt wird auch das ehemalige Haus 3 - als „Konsole“ wird es künftig vor allem zum Experimentierfeld für die Erweiterung des analogen Theaters in den digitalen Raum - und vice versa. Dafür wurde das Künstlerduo F. Wiesel ans Haus geholt, das im Austausch mit Ensemble und Publikum Formate entwickeln soll, die unter anderem in ein Festival für digitale Theaterformen mündet.
Völlig neu zeigt sich auch das Ensemble - nur vier Darsteller sind alte Bekannte, sie werden ergänzt von 18 neuen Gesichter. Neu aufgestellt werden auch Vermittlung und Theaterpädagogik.
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