Erfolg für Physiker

Bei Rätsel um Quantenmaterie einen Schritt weiter

Tirol
24.05.2023 17:01

Mit einer weiteren Erfolgsmeldung lassen Innsbrucks Quantenphysiker aufhorchen. In Kooperation mit Kollegen der ETH in Lausanne (Schweiz) fanden sie einen Weg, eine kristalline Struktur zu erzeugen, die als „kohärente Materiedichtewelle“ in einem atomaren Gas entsteht. Das liefert neue Erkenntnisse.

Konkret helfen die neuen Erkenntnisse dabei, das faszinierende Verhalten von Quantenmaterie nahe dem absoluten Nullpunkt besser zu verstehen. „Ultrakalte Gase waren schon bisher dafür bekannt, dass die Wechselwirkungen zwischen den Atomen sehr gut kontrolliert werden können“, sagt Jean-Philippe Brantut von der ETH Lausanne. „Unser Experiment erweitert diese Fähigkeit noch einmal.“ 

In Zusammenarbeit mit der Gruppe von Helmut Ritsch am Institut für Theoretische Physik der Universität Innsbruck haben die Wissenschaftler einen Durchbruch erzielt, der nicht nur die Quantenforschung, sondern auch die auf der Quantenphysik basierenden Technologien der Zukunft voranbringen kann.

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Dichtewellen werden in einer Vielzahl von Materialien beobachtet, unter anderem in Metallen, Isolatoren und Supraleitern.

Farokh Mivehvar

An Rätsel wird schon lange geforscht
Wissenschaftler versuchen seit langem zu verstehen, wie sich Materie selbst zu komplexen Strukturen wie zum Beispiel Kristallen organisieren. In der oft rätselhaften Welt der Quantenphysik zeigt sich diese Art der Selbstorganisation von Teilchen in sogenannten „Dichtewellen“, bei denen sich Teilchen in einem regelmäßigen, sich wiederholenden Muster anordnen - wie eine Gruppe von Menschen mit verschiedenfarbigen Hemden, die in einer Reihe stehen, aber so angeordnet sind, dass nie zwei gleichfarbige Hemden nebeneinander zu sehen sind.

„Dichtewellen werden in einer Vielzahl von Materialien beobachtet, unter anderem in Metallen, Isolatoren und Supraleitern“, sagt der Theoretische Physiker Farokh Mivehvar von der Universität Innsbruck. „Die Untersuchung in der Nähe des absoluten Nullpunkts sind jedoch schwierig, vor allem, wenn die Ordnung der Teilchen mit anderen Arten der Organisation wie Suprafluidität einhergeht.“

Für Experiment spezielles Gas erschaffen
Wichtig ist dabei, dass Suprafluidität nicht nur eine theoretische Kuriosität ist; sie ist von großem Interesse für die Entwicklung von neuen Materialien mit einzigartigen Eigenschaften, wie zum Beispiel Hochtemperatursupraleitung. Um diese Wechselwirkung zu erforschen, schufen die Wissenschaftler an der ETH Lausanne ein „entartetes Fermi-Gas“, ein dünnes Gas aus Lithiumatomen, das auf extrem niedrige Temperaturen abgekühlt ist und in dem die Atome sehr häufig miteinander kollidieren.

Anschließend platzierten die Forscher dieses Gas in einem optischen Resonator, einer Vorrichtung, die dazu dient, Licht über einen längeren Zeitraum in einem kleinen Raum zu bündeln. Optische Resonatoren bestehen aus zwei einander zugewandten Spiegeln, die das einfallende Licht hunderttausende Male hin und her reflektieren, so dass sich Lichtteilchen (Photonen) im Hohlraum ansammeln können.

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Die Kombination von Atomen, die im Fermi-Gas direkt miteinander kollidieren, während sie gleichzeitig Photonen über große Entfernungen austauschen, ist eine neue Art von Materie, bei der die Wechselwirkungen extrem sind.

Jean-Philippe Brantut

Besseres Verständnis über komplexe Materialien
In der Studie nutzten die Forscher den Hohlraum, um die Teilchen im Fermi-Gas dazu zu bringen, über große Entfernungen miteinander in Wechselwirkung zu treten: Ein erstes Atom sendet ein Photon aus, das an den Spiegeln abprallt und dann von einem zweiten Atom wieder absorbiert wird, unabhängig davon, wie weit es vom ersten Atom entfernt ist. Wenn genügend Photonen emittiert und reabsorbiert werden - was im Experiment leicht eingestellt werden kann -, organisieren sich die Atome gemeinsam zu einem Dichtewellen-Muster ähnlich einem Kristall.

„Die Kombination von Atomen, die im Fermi-Gas direkt miteinander kollidieren, während sie gleichzeitig Photonen über große Entfernungen austauschen, ist eine neue Art von Materie, bei der die Wechselwirkungen extrem sind“, sagt Brantut. „Wir hoffen, dass das, was wir dort sehen werden, unser Verständnis einiger der komplexesten Materialien, die in der Physik vorkommen, verbessern wird.“ Die Ergebnisse wurden nun in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht. Finanziert wurden die Forschungen unter anderem vom Österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF), dem Schweizerischer Nationalfonds (SNF) und dem Europäischen Forschungsrat (ERC).

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