Im Juli 2021 haben im Salzburger Oberpinzgau heftige Regenfälle für Hochwasser und schwere Überschwemmungen gesorgt. Um derartigen Extremereignissen in Zukunft vorzubeugen, will das Land Salzburg zusätzliche Rückhalteflächen in mehreren Seitentälern der Salzach schaffen. Naturschutzorganisationen übten am Mittwoch aber heftige Kritik an den Plänen. Denn die projektierten Retentionsräume liegen fast zur Gänze in ökologisch sensiblen Bereichen im Nationalpark Hohe Tauern.
„Uns ist bewusst, dass es Hochwasserschutz-Maßnahmen benötigt. Aber wir vermuten, dass es auch außerhalb der Außenzone des Nationalparks noch Möglichkeiten gibt, Rückhalteflächen zu schaffen“, betonte Liliane Dagostin, Vizepräsidentin des Umweltdachverbands und Leiterin der Abteilung Raumplanung und Naturschutz des Österreichischen Alpenvereins, bei einer Pressekonferenz in Salzburg. „Wo und in welchem Ausmaß Wasser zurückgehalten werden kann, wissen wir aber nicht. Die vorhandenen hydrologischen Gutachten werden uns und den Grundeigentümern vorenthalten.“
Dagostin forderte darum umgehend Einblick in die Unterlagen. „Dann können wir die notwendigen Maßnahmen diskutieren.“ Flächen links und rechts der Salzach im Tal würden derzeit intensivlandwirtschaftlich genutzt. „Sie bringen vom ökologischen Potenzial her weniger als die Flächen, die im Nationalpark beeinträchtigt werden würden.“ Grundeigentümer müssten ohnehin da wie dort abgelöst werden. „Wenn ein Bau in den Seitentälern fachlich begründet ist, lassen wir uns gerne davon überzeugen.“
Landesexperte sieht keine Retentionsflächen im Salzachtal
Der zuständige Bereichsleiter des Referats Wasserbau beim Land Salzburg, Martin Zopp, hatte am Dienstag in einer Aussendung betont, dass die Hochwässer aufgrund des Klimawandels zukünftig häufiger und intensiver werden und die bestehenden Anlagen nicht darauf ausgelegt seien. Studien würden belegen, dass im Salzachtal mit einer Ausnahme keine zusätzlichen Retentionsflächen in entsprechender Größe mehr vorhanden seien.
„Die Retention in den Seitentälern ist eine Zusatzmaßnahme und Notreserve. Die Rückhalteflächen im Salzachtal bleiben vollumfänglich erhalten“, erklärte Zopp. Durch die geplanten Maßnahmen sollen insgesamt rund 7,5 Millionen Kubikmeter Rückhalt geschaffen werden, die sich gleichmäßig auf das Krimmler Achental, das Obersulzbachtal, das Habachtal, das Hollersbachtal und das Felbertal verteilen.
Naturschutzbund kontert mit Kritik
Pläne, die auch Winfried Herbst, den Vorsitzenden des Naturschutzbundes Salzburg, ärgern: „Die Behauptung, Schutzbauten sind nur in den Tauerntälern möglich, entbehrt jeglicher Grundlage“, kritisierte er am Mittwoch. Die Frage, wo man im Salzachtal noch Retention betreiben könne, sei lediglich in zwei der Anrainer-Gemeinden geprüft worden. „In Zeiten der Biodiversitäts- und der Artenvielfaltskrise kann die Bedeutung der letzten naturintakten Räume nicht hoch genug eingeschätzt werden.“
Nicht nur der Bau der Dämme sei für die Natur in den Tälern eine Belastung. Es gehe auch um die Beseitigung von Ablagerungen wie Sand und Schotter. „Während im Tiefland überschwemmte Flächen rasch renaturiert werden können, ist das im Hochgebirge nur schwer möglich.“ Zudem müsse das Geschiebe mit Lkw - und damit mit einem hohem Verbrauch an fossilen Energien - abtransportiert werden. „Sicherheit und Wohlgefühl der Menschen sind uns wichtig“, betonte Herbst. „Aber wir müssen das Beste tun, nicht das Erstbeste.“
Beim Hochwasser 2021 stießen die Schutzbauten entlang der Salzach an ihre Grenzen. Rund 50 Wohnhäuser und einige Gewerbebetriebe im Oberpinzgau wurden damals beschädigt. Auch landwirtschaftliche Flächen und große Teile der Trasse der Pinzgauer Lokalbahn wurden schwer in Mitleidenschaft gezogen. In Mittersill hätten nur wenige Zentimeter mehr Wasserstand zu einer Überflutung der Stadt geführt.
Laut dem Land Salzburg wurden die Aufträge für die Detailplanungen der Schutzbauten bereits im Vorjahr vergeben, auch die notwendigen Vermessungen sind abgeschlossen. Heuer sollen die Verträge mit den betroffenen Grundstückseigentümern unterzeichnet werden, bevor dann die behördlichen Verfahren starten.
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