„Die Toten Hosen“ kommen zum Lido Sounds, dem neuen Open Air in Linz von 16. bis 18. Juni. Campino (60), Sänger und Frontmann der deutschen Kultband, gab der „Krone“ ein Interview. Darin spricht er an, warum Punk nie überholt sein wird, wie es ihm geht, wenn seine Songs gecovert werden und auch mit dem KI-Programm ChatGPT hat Campino herumprobiert.
„Krone“: Corona war Stillstand, jetzt geht alles wieder los. Wie fühlt sich das bei den „Toten Hosen“ an?
Campino: Wir haben die Vollbremsung durch die Pandemie hart miterlebt, weil wir eine besondere Tournee absagen mussten, die wir nur mit akustischen Instrumenten gespielt hätten. Das hat weh getan, aber andererseits war die ganze Welt betroffen, darum gab es bei uns kein Jammern.
Wie haben Sie persönlich die Zeit der vielen Lockdowns genützt?
Ich habe das Buch „Hope Street: Wie ich einmal englischer Meister wurde“ geschrieben. Das fügte sich gut - es ist keine Langeweile bei mir aufgetreten. Und jetzt kommt es uns schon wieder wie immer vor, in überfüllten Bussen und Bahnen rumzusitzen. Als hätte es Covid nie gegeben. Wir sind in den Normalzustand zurückgekehrt. Ein böser Traum ist nun vorüber - gefühlt liegt er schon fünf Jahre zurück.
Die Toten Hosen gibt es 41 Jahre lang - Ihr habt die Wurzeln in der Punk-Bewegung. Was ist die Motivation und Berechtigung für Punk heute?
Man muss die Bewegung im zeitlichen Kontext sehen. Als sie Ende der 70er Jahre in London wie eine Explosion entstand, gab es zu der Zeit völlig andere Probleme als heutzutage. Es gab noch den Eisernen Vorhang, die weltpolitische Situation war eine völlig andere. Punk war auch eine Reaktion auf die gesellschaftlichen Verhältnisse: Arbeitslosigkeit, Armut, Zukunftsängste. Und es ging darum, keine Helden zu verehren, sondern selbst etwas zu machen, sich nicht dem Diktat der kommerziellen Werbung zu unterwerfen, auch gegen das Establishment zu sein. Die Jugend hatte viele Gründe zu rebellieren, das hat sich von England auf das restliche Europa übertragen.
Jedes Lied verselbständigt sich, sobald es veröffentlicht ist, wandert raus in die Welt und wird zu unterschiedlichen Zeitpunkten und Gegebenheiten von den Menschen wahrgenommen.
Campino, „Die Toten Hosen“
Aber jetzt?
Wir waren Anfang der Achtzigerjahre eine Band, die in besetzten Häusern gespielt hat, viele in Deutschland haben sich daran gestoßen, wir haben sicher gespalten. Heute sind wir nicht mehr dieselben wie damals. Wir sind älter geworden, unsere Lebenserfahrung verändert uns, unsere Bedürfnisse und Einsichten. Heute sind wir mehr verbindend. Das kann aber nicht an unseren Wurzeln rütteln, wir haben dennoch viele dieser ideologischen Grundregeln beibehalten.
Was steht jetzt im Fokus von Eurer Musik?
Wir haben in unserer Musik über 40 Jahre keinen Bruch hingelegt, sondern uns stetig weiterentwickelt. Aber wenn wir ein Konzert spielen, ist das ein homogenes Programm aus Liedern unserer frühen Zeit bis heute. Und die Leute, die unsere Musik hören, finden alles gleichermaßen gut.
Das ist, als würde man wochenlang an einem Zauberwürfel rumdrehen ...
Campino, „Die Toten Hosen“
Ein schönes Kompliment.
Ja. Es ist etwas sehr Feines, nicht das Gefühl zu haben, die Leute warten nur auf die Hits von früher.
„Tage wie diese“ ist zur Hymne für jene geworden, die einen Erfolg feiern - in unterschiedlichen Kontexten. Wie geht es Ihnen damit, wenn sich der eigene Song verselbständigt?
Jedes Lied verselbständigt sich, sobald es veröffentlicht ist, wandert raus in die Welt und wird zu unterschiedlichen Zeitpunkten und Gegebenheiten von den Menschen wahrgenommen: Die eine hört es auf einer Beerdigung zuerst, der andere hat grad einen Sportwettkampf gewonnen und jemand anderes legt es zu einer Hochzeit auf. Das Lied hat ein Eigenleben bekommen und wir sind dafür nicht mehr verantwortlich.
Wie machen die Toten Hosen einen Hit?
Das ist, als würde man wochenlang an einem Zauberwürfel rumdrehen und plötzlich stimmt alles. Aber wie man dahinkommt, ist niemandem klar. Wir wissen nicht, was die Magie eines Songs ausmacht. Insofern haben wir auch noch nie versucht, einen Hit auf Bestellung zu produzieren.
Anastacia covert nun „Tage wie diese“.
Frauenpower ist immer gut. Dass sich eine professionelle Sängerin des Songs annimmt, ist auch fein. Es ist auch eine deutlich bessere Version als die, die damals am Wahlkampfabend von der CDU abgeliefert wurde.
Ihr seid eine „Bubenbande“, gibt es die Idee, gemeinsam aufzutreten, um Frauenpower mitzunehmen?
Wir haben schon Duette mit Frauen gesungen, u.a. mit meiner Schwester oder auch Birgit Minichmayr, das war wirklich eine schöne Erfahrung. Ich freu‘ mich jedes Mal, wenn es zu einer Zusammenarbeit mit Musikerinnen kommt. Unsere Pianistin Esther Kim begleitet uns schon seit fast zwei Jahrzehnten. Aber letztendlich sind wir die „Toten Hosen“, die fünf Original-Mitglieder stehen fest und das ist gut so.
Welchen Song der „Toten Hosen“ sollte heute jeder 15-Jährige unbedingt kennen?
„Ich würde nie zum FC Bayern München gehen“ - ein Sauflied ist ja erst ab 18 (lacht). Nein, im Ernst: Wir müssen uns nicht einer jungen Generation aufdrängen, das wäre falsch. Die jungen Leute entscheiden sich schon von selbst und stolpern manchmal zufällig in eine Band oder Musikrichtung, die ihnen irgendwas bedeutet. Wir haben das Glück, dass wir ein durchmischtes Publikum haben. Oft haben mittlerweile die Eltern das Virus an ihre Kinder übertragen. Es macht mir Spaß zu sehen, dass ganze Familien zu unseren Konzerten kommen.
Künstliche Intelligenz dringt auch ins Musikbusiness ein. Werdet Ihr sie künftig einsetzen oder bleibt alles handgemacht?
fragte die „Krone“ Campino
Künstliche Intelligenz dringt auch ins Musikbusiness ein. Werdet Ihr sie künftig einsetzen oder bleibt alles handgemacht?
Wir haben mal in ChatGPT eingegeben: Bitte schreib einen Tote-Hosen-Text über Liebe und Gewalt. Der Computer hat etwas ausgespuckt, das teilweise erschreckend klischeehaft war. Ich habe aber begriffen, dass dieses System bereits in den nächsten Jahren perfekte Texte, Bilder und Videos herstellen können wird, bei denen nicht mehr nachzuvollziehen ist, wer sie verfasst hat und ob sie Deepfake oder Wahrheit sind. Das wird die ganze Gesellschaft durcheinander bringen - da rollt ein Riesending auf uns zu, das wir reglementieren müssen, bevor es unkontrollierbar wird und zu einer Katastrophe kommt.
Wie bereitet ihr Euch auf einen Konzertauftritt vor? Gibt es da Rituale?
Wir proben viel und es gibt auch intensive Durchlaufproben mit Licht und Ton, alles ist gut vorbereitet. An Konzertabenden hat jeder von uns seinen Rhythmus. Wir spielen vorher noch in einem kleinen Raum zusammen einige Lieder durch, sodass wir ein gutes Gefühl haben, wenn wir auf die Bühne gehen. Alles keine Zauberei! Aber das ist bei uns nicht schwer, wir haben immer noch eine Garderobe für alle und nicht verschiedene Zimmer - wir können uns noch gut leiden.
Liverpool: Woran denken Sie?
An die schönste Stadt der Welt! Die übrigens immer eine Reise wert ist. Sie ist viel schöner, als man denkt. Immerm, wenn ich Zeit habe, fahre ich dort hin.
Linz: Fällt Ihnen dazu etwas ein?
Die Donau, die älteste Torte der Welt und vor allem der Posthof.
Woran denken Sie?
Ein toller Laden, es gibt nicht viele davon. Aber: Wir haben es nicht immer einfach gehabt mit dem Posthof, denn wir bekamen in den frühen Achtzigerjahren einmal Hausverbot, nachdem wir dort gespielt hatten. Wir glauben bis heute, der Vorfall war ein Riesenmissverständnis. Wir waren fünf sorglose, lebensfrohe Asoziale, über die mancher lachen konnte, aber die vom Posthof damals eben nicht. Inzwischen haben wir uns besser kennengelernt und sind auch hoffentlich wieder gern gesehene Gäste.
Was wird die Fans am Lido Sounds jubeln lassen?
Ich hoffe, alle bringen gute Laune mit. Die, die uns schon gesehen haben, wissen, was sie erwartet. Lido Sounds wird klar das Ereignis des Monats sein, es sind noch andere gute Bands da, Wanda, die Beatsteaks und viele mehr. Es wird richtig scheppern und am besten wäre es, wenn Jung und Alt egal welcher Herkunft eine riesige kollektive Party abziehen!
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