Pandemie, Parkpickerl, Teuerungen, Energiekrise - die Heurigen im Norden Wiens kämpfen gegen die multiplen Krisen und hohen Umsatzeinbußen. Die Stadt solle ihren Bekenntnissen zur Heurigenkultur auch Taten folgen lassen, fordern sie.
Geht man durch die Wiener Innenstadt sieht man volle Lokale und Schanigärten. Am Stadtrand sieht die Lage aber anders aus. „Wir haben nicht die tolle öffentliche Anbindung“, schildert Leopold Klager, der Obmann des Stammersdorfer Weinbauvereins. Und seit der Einführung des Parkpickerls würden auch die bezirksfremden Gäste ausbleiben.
Umsatzeinbrüche von 20 bis 50 Prozent
„Wir haben etliche Gäste wegen dem Parkpickerl verloren“, erzählt Richard Lentner vom gleichnamigen Heurigen in Großjedlersdorf, der aber noch das Glück hat, zehn Stellplätze für seine Kunden zu haben. „Wenn die voll sind, gibt es aber Probleme. Kunden wollen dann, dass ich ihren Parkschein bezahle“, sagt Lentner.
Seit dem Parkpickerl gibt es keine Gemütlichkeit mehr. Die Gäste stehen alle 30 Minuten auf, um den Parkschein zu verlängern, trinken weniger.
Daniela Swoboda, Heuriger Binder, Großjedlersdorf
Bild: Groh Klemens
„Alles für sich ein Problem - alles zusammen eine Katastrophe“
Auch in Strebersdorf ist die Lage der Unternehmen angespannt. Konditor Walter Petras kämpft um jeden Gast und gegen die hohen Energiepreise. „Zuerst Corona, dann das Parkpickerl nun die Teuerungen und Energiepreise. Alles für sich genommen ist ein Problem, alles zusammen ist eine Katastrophe“, bedauert Petras. „Bürgermeister Michael Ludwig betont regelmäßig, wie wichtig der Weinbau für den Landschaftsschutz und Tourismus ist. Wie kann man das dann zugrunderichten?“, fragt Hermann Pieczara von der Weinmanufaktur am Bisamberg.
Ich habe 30 Prozent weniger Umsatz und kämpfe mittlerweile um jeden Gast. In Strebersdorf macht ein Geschäft nach dem anderen zu.
Walter Petras, Konditor, Strebersdorf
Bild: Groh Klemens
„Vor dem Pickerl herrschte Frieden bei uns“
Stefan Nadler startete für die Stammersdorfer eine Petition für die Reduzierung der Kurzparkzeit auf 16 Uhr. Denn: „Bei uns werden Leute rigoros abgestraft. Weche die seit 40 Jahren immer vor ihrem Haus geparkt haben“, schildert er. Vor dem Pickerl habe Friede in Stammersdorf geherrscht. Weinbauern aus ganz Wien unterstützen die Petition mit ihrer Unterschrift.
Weder die Bewohner, noch die Heurigen wollen diese Parkregel. In unserer Petition fordern wir die Reduzierung der Kurzparkzeit auf 16 Uhr.
Stefan Nadler, Petitions-Initiator, Stammersdorf
Bild: Groh Klemens
Eine der Unterstützerinnen ist Sabine Helm. Seit 1999 führt sie ihren Heurigen. „Früher haben die Gäste viel mehr konsumiert“, weiß sie. Durch das Parkpickerl sei Helm meist nur am Samstag voll. „Am Freitag will keiner ein Fest veranstalten“, krisitiert Helm. Immer mehr Gäste würden in umliegende Gemeinden ausweichen.
Wenn unser Personal nicht in unserer privaten Einfahrt parken könnte, hätten wir gar keines. Die öffentliche Anbindung nach Stammersdorf ist schlecht.
Sabine Helm, Weingut Helm, Stammersdorf
Bild: Groh Klemens
„In den nächsten Jahren sperren einige Stammersdorfer Heurigen zu. Es gibt keine Nachfolger“, sagt Franz Reichl. Das sei auch kein Wunder, der Heurige ein Auslaufmodell. Das will Alt-Bezirksrat Hansjörg Schimanek jedoch verhindern. „Wien ist weltberühmt für seine Heurigenkultur. Das darf nicht zerstört werden.“
Die Gäste essen nur schnell, trinken ein Glaserl. Das Geld, das sie für das Parken zahlen müssen, geben sie woanders weniger aus.
Franz Reichl, Heuriger Reichl, Stammersdorf
Bild: Groh Klemens
Buschenschanken doch kein „Feind“
Zumindest an einer anderen Front innerhalb der Heurigenwelt ist inzwischen aber wieder Frieden eingekehrt: Die Aufregung, als die Stadt Wien den Weinberg-Buschenschanken per Gesetz ab diesem Jahr quasi unbegrenzte Öffnungszeiten erlaubte und damit neue Konkurrenz zu den Heurigenrestaurants schuf, hat sich gelegt.
„Alles, was gegen das Buschenschank-Sterben hilft, ist gut“, meint etwa Martin Strobl vom „Weinhandwerk“, der nicht fürchtet, dass ihm die Weinberg-Buschenschanken Kunden wegnehmen: Inzwischen müsse sich ohnehin jedes Heurigenrestaurant und jeder Winzer etwas eigenes überlegen, „weil: Den Liptauer aus der Dose vom Großmarkt wollen die Leut’ nimmer“.
Winzerin Lisa Windischbauer glaubt auch nicht, dass sie mit ihrer Weinberg-Buschenschank Heurigenrestaurants etwas wegnimmt: „Jetzt können wir halt, wenn’s unter der Woche schön ist, einfach einmal aufsperren.“ Wegen der neuen Regelung habe es zwar „hitzige Diskussionen“ gegeben, aber nun „verstehen sich alle Kollegen weiter gut.“
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